Personalmangel

Kündigungswelle unter Pflegepersonal bleibt vorerst aus

Kündigungswelle unter Pflegepersonal bleibt vorerst aus

Kündigungswelle unter Pflegepersonal bleibt vorerst aus

Apenrade/Kopenhagen
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Das Pflegepersonal in den Krankenhäusern hat dieser Tage wenig zu lachen. (Archivfoto) Foto: dpa/(Symbolfoto)

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Zuletzt wurden Krankenpflegerinnen und -pfleger mit Verweis auf die hohen Arbeitsbelastungen zu kollektiven Kündigungen aufgefordert, doch nur wenige kamen dieser Aufforderung nach. Dennoch bleibt die Situation angespannt.

Wer in diesen Tagen kurzfristig ins Krankenhaus eingeliefert werden muss, braucht sich keine Sorgen zu machen, dass etwa kein Pflegepersonal mehr da wäre. 

Aus Protest gegen die Lohn- und Arbeitsverhältnisse des Pflegepersonals hatte der Sprecher der „Gruppe für nationale Arbeitsniederlegung“ (Styregruppen for National Arbejdsnedlæggelse), Luca Pristed, am Dienstag, 30. November, seine Kolleginnen und Kollegen im ganzen Land dazu aufgerufen, es ihm gleichzutun und ihren Job zu kündigen.

„Wir ziehen uns ganz einfach aus einem Gesundheitswesen zurück, das dabei ist, zusammenzubrechen. Als Pflegepersonal wollen wir die bestehenden Verhältnisse nicht länger akzeptieren, da die Betreuung der Patientinnen und Patienten aus ethischer Perspektive nicht länger verantwortbar ist“, so Luca Pristed am Dienstag. Deshalb hoffe er darauf, dass mehrere Tausend Kolleginnen und Kollegen es ihm gleichtun.

Als Pflegepersonal wollen wir die bestehenden Verhältnisse nicht länger akzeptieren, da die Betreuung der Patientinnen und Patienten aus ethischer Perspektive nicht länger verantwortbar ist.

Luca Pristed, Sprecher der „Gruppe für nationale Arbeitsniederlegung“

Er vertritt die Auffassung, dass das Pflegepersonal vernachlässigt worden ist, und dass es jetzt an der Regierung und den Arbeitgebern sei, dafür zu sorgen, dass das Pflegepersonal auch weiterhin seinen Beruf ausüben möchte.

Aufruf anscheinend verpufft

Drei Tage nach seinem Aufruf sieht es jedoch nicht danach aus, dass ihm eine nennenswerte Anzahl an Kolleginnen und Kollegen gefolgt wäre. Laut einer von Danske Regioner unter den fünf Regionen durchgeführten Umfrage gebe es keine Hinweise darauf, dass im November mehr Krankenpflegerinnen und -pfleger gekündigt hätten als üblich. Allerdings könne hier nur von einem vorübergehenden Ergebnis gesprochen werden, da die vollständigen Zahlen erst im Januar vorliegen, so Danske Regioner.

Einer vorläufigen Einschätzung der Region Süddänemark zufolge, unter die das nordschleswigsche Krankenhauswesen fällt, hätten bis zum 30. November nur wenige Krankenpfleger ihre Anstellung mit der Begründung gekündigt, den Aufruf zur kollektiven Kündigung zu unterstützen.

Bei der Gewerkschaft für das Pflegepersonal, Dansk Sygeplejeråd, kann der Vorsitzende für den Kreis Süddänemark, John Christiansen, dies bestätigen. „Der Aufruf zur kollektiven Kündigung hat keine Auswirkungen gehabt. Zum Glück, denn wir arbeiten ja daran, die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger in ihrem Beruf zu halten.“

Thema nicht neu

Ein Bemühen, das sich keinesfalls nur auf den Augenblick beschränkt. John Christiansen zufolge macht die Gewerkschaft bereits seit zehn Jahren auf die Notwendigkeit von verbesserten Arbeitsbedingungen aufmerksam. „Das Thema ist keinesfalls neu. Wir haben viele Jahre lang für bessere Lohnverhältnisse gekämpft und auf den Mangel an Arbeitskräften hingewiesen“, sagt er.

Das Thema ist keinesfalls neu. Wir haben viele Jahre lang für bessere Lohnverhältnisse gekämpft und auf den Mangel an Arbeitskräften hingewiesen.

John Christiansen, Vorsitzende für den Kreis Süddänemark bei Dansk Sygeplejeråd

Als Ursache für die Unzufriedenheit des Pflegepersonals sieht er neben dem Lohnniveau auch die Arbeitsbedingungen. Viele anfallenden Arbeitsaufgaben würden außerhalb der Kernkompetenzen des Pflegepersonals liegen, was seiner Ansicht nach auf Sparmaßnahmen zurückzuführen sei. Beispielsweise müssten Krankenpfleger Reinigungsaufgaben übernehmen. Auch dies seien wichtige Aufgaben, allerdings könnten dem Pflegepersonal mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, wenn andere solche Tätigkeiten übernehmen würden, meint John Christiansen.

Henne oder Ei?

„Was war zuerst da, die Henne oder das Ei? Aus meiner Sicht ist das Lohnniveau die Ursache dafür, dass es schwierig ist, das bestehende Pflegepersonal im Beruf zu halten. Dadurch verlassen noch mehr Menschen aus dieser Berufsgruppe den Arbeitsmarkt, und dann wird es noch schwieriger, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren“, gibt er zu bedenken.

Die Zahl der Krankenpflegerinnen und -pfleger im nordschleswigschen Krankenhauswesen schätzt er auf etwa 3.000, und mehrere Hundert würden noch zusätzlich gebraucht werden. „Aus diesem Grunde haben sowohl das Krankenhaus in Apenrade als auch die Psychiatrie die Kapazität reduziert, das heißt, es stehen weniger Betten zur Verfügung“, sagt John Christiansen.

Bedenken, Arbeitskräfte aus anderen Ländern abzuziehen

In der Grenzregion profitiere das Gesundheitswesen zwar davon, dass beispielsweise deutsche Krankenpfleger in Nordschleswig arbeiten. Allerdings hält John Christiansen es für keine so gute Idee, Pflegepersonal aus anderen Ländern zu rekrutieren.

„Es ist ein großes Dilemma, weil uns in vielen Ländern Europas Pflegepersonal fehlt. Ich mache mir deshalb Sorgen, wenn Dänemark Arbeitskräfte aus anderen Ländern anwirbt, in denen noch mehr Pflegepersonal fehlt. Die WHO hat nicht ohne Grund das Jahr 2020 zum Jahr der Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger ernannt“, sagt John Christiansen.

Außerdem gelte es, die Qualität der Ausbildung sicherzustellen, und auch sprachliche Herausforderungen müssten dann bedacht werden.

Unmittelbar müsste unser Arbeitgeber anerkennen, dass es eine Herausforderung darstellt, die Menge der Arbeitsaufgaben mit dem zur Verfügung stehenden Personal in Einklang zu bringen.

John Christiansen, Vorsitzender für den Kreis Süddänemark bei Dansk Sygeplejeråd

Regierung muss Herausforderungen anerkennen

Um die momentane Krise abzumildern, bedarf es nach Meinung von John Christiansen auf Seiten der Regierung die Einsicht, dass die momentanen Zustände unhaltbar sind.

„Unmittelbar müsste unser Arbeitgeber anerkennen, dass es eine Herausforderung darstellt, die Menge der Arbeitsaufgaben mit dem zur Verfügung stehenden Personal in Einklang zu bringen. Und dann müssen natürlich die Lohnbedingungen verbessert werden. Wir benötigen deshalb einen Extra-Einsatz, und ich rechne damit, dass bald etwas passiert. Sowohl die Regierung als auch die Region arbeiten an Lösungsmöglichkeiten, aber wie die konkret aussehen, weiß ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht“, sagt John Christiansen.

Durchhalte-Appell von Staatsministerin Mette Frederiksen

Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.) hatte noch am 8. November auf einer Pressekonferenz einen Appell an das Gesundheitspersonal gerichtet und um Geduld gebeten. Sie wisse, dass viele Angestellte im Gesundheitswesen frustriert seien.

Und ich und wir bitten euch, dass ihr nicht nur einen Einsatz leistet, denn das tut ihr bereits voll und ganz, sondern auch nochmals einen Extra-Einsatz.

Staatsministerin Mette Frederiksen (Soz.)

Wörtlich sagte sie: „Und deshalb bitten wir auch um eure Geduld. Und ich und wir bitten euch, dass ihr nicht nur einen Einsatz leistet, denn das tut ihr bereits voll und ganz, sondern auch nochmals einen Extra-Einsatz – denn Dänemark benötigt euch wieder.“

Pensionierte Ärzte, Studierende und Auszubildende sollen aushelfen

Währenddessen hat die Region Nordseeland eine Aufforderung veröffentlicht, in der händeringend nach Personal aus dem Gesundheitssektor gesucht wird.

Aus diesem Grunde sucht die Region nach Hilfe bei pensionierten Ärzten, Studierenden und Auszubildenden, die das Personal in den Krankenhäusern unterstützen sollen.

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