Leserbeitrag

„Nachruf auf Gertrude Sophie – Rösi – Hanss“

Nachruf auf Gertrude Sophie – Rösi – Hanss

Nachruf auf Gertrude Sophie – Rösi – Hanss

Frank Lubowitz
Flensburg/Apenrade
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Die frühere Leiterin des Deutschen Kindergartens Pattburg, Rösi Hanss, ist am 2. März im Alter von 86 Jahren gestorben. Foto: Unsplash/David Tomaseti

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Am 2. März hat Frank Lubowitz erfahren, dass Rösi Hanss im Pflegeheim Lergården in Apenrade verstorben ist. Die Nachricht hat ihn nun zu einem Nachruf veranlasst.

Rösi habe ich gleich zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit in Apenrade zu Anfang der 1990er Jahre kennengelernt. Bevor ich eine Wohnung gefunden hatte, wohnte ich, wie z. B. häufig auch die Praktikantinnen der Deutschen Büchereizentrale, für einige Monate zur Untermiete in ihrem Haus am Farverhus 1. Ein Glücksfall für mich, den Historiker, der das Archiv der deutschen Volksgruppe gerade übernommen hatte, mit Rösi jemanden kennenzulernen, die aufgrund ihrer familiären Bezüge als Tochter des langjährigen Büchereidirektors Peter Callesen und seiner aus dem deutschen Bevölkerungsteil in Slowenien stammenden Frau Ingeborg, geb. May, ganz nah an einer gelebten Minderheitengeschichte war. Zugleich besaß Rösi aber über ihre Ehe und das Familienleben, das sie weit weg von Nordschleswig für einige Zeit bis in die USA und dann in den Süden Deutschlands geführt hatte, einen klaren Blick auf die Volksgruppe in Vergangenheit und Gegenwart.

Die Gespräche, die ich damals abends mit ihr geführt habe, haben mir tiefe Einblicke jenseits des Bücherwissens vermittelt und waren hilfreich, manches zu verstehen und zu hinterfragen.

So blieb denn auch über die Monate hinaus, die ich bei Rösi gewohnt habe, der Kontakt bestehen. Gerne besuchte ich sie in ihrem gemütlichen Haus und dem von ihr mit Liebe und Hingabe gepflegten Garten, und immer erlebte ich Rösi aufgeschlossen und lächelnd, unsere Gespräche drehten sich um dies und das, Leichtes und Schweres – und immer wieder um die Minderheit, zu der sie Anfang der 1980er Jahre zurückgekehrt war und wo sie als ausgebildete Kindergärtnerin an verschiedenen Orten und zuletzt in Pattburg tätig war. Oder Rösi besuchte mich auf einen kurzen Plausch in meinem Büro im Keller des Hauses Nordschleswig, wenn sie als fleißige Leserin ihren Büchernachschub aus der Deutschen Bücherei holte.

Gertrude Sophie Hanss – genannt Rösi Foto: Privat

Daraus entstand eine Familienfreundschaft, bei der sie uns auch in Flensburg besuchte. Darüber hinaus trafen wir zwei ihrer vier Kinder über die Jahre öfter und lernten so Ann-Kathrin, Jan und seine Frau Gunda samt Rösis Enkelkindern kennen.

Von Farverhus 1, dessen Garten mit der Zeit zu groß für sie wurde, führte Rösis Weg nacheinander in zwei Wohnungen im Jørgensgård, wobei vor allem die zweite Wohnung rund um die Terrasse ihr noch einmal die Möglichkeit zum Gärtnern im kleinen Rahmen bot. Danach wurde die Wohngruppe „Blaumeise“ im Lergården Rösis letztes Zuhause, in dem sie gut umsorgt wurde, als das Gedächtnis immer schwächer wurde und sich viele Erinnerungen vermischten. Ein Satz prägte sich bei mir ein, den Rösi oft wiederholte, alle seien dort so nett zu ihr, aber sie sei ja auch, wie sie dann lachend hinzufügte, immer nett zu allen. Ja, das war sie! Selbst wenn es ihr mal nicht so gut ging, trat sie ihrem Gegenüber immer mit fröhlicher Miene und lächelnd entgegen.

Dass sie mich in dieser Zeit, in der sie sich immer mehr entfernte, bei meinen Besuchen stets erkannt hat und sich stets auch nach meinem Mann Thomas erkundigte, war eine große Freude für mich und zeigte unsere über die Jahrzehnte gewachsene Verbundenheit. Bei meinem letzten Besuch, etwa 14 Tage vor ihrem Tod, merkte ich aber schon deutlich, dass die Kräfte nachließen, und es auch für mich nach 30 Jahren Abschied von Rösi zu nehmen galt.

Nach dem Tod von Gertrude „Rösi“ Hanss leben von den fünf Kindern von Peter Callesen und seiner Frau Ingeborg noch Rösis älteste Schwester Ingeborg Koch, geb. Callesen, in Aarhus und ihr jüngster Bruder, der Historiker Gerd Callesen, in Wien.

Rösis vier Kinder und ihre Familien mit Enkelkindern sowie zwei Urenkel leben weit über Deutschland verstreut. Ihnen allen gilt unser aufrichtiges Mitgefühl, und Rösi gilt unser immerwährendes Gedenken.

Frank Lubowitz, Flensburg

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