100 Jahre Deutsche MInderheit

Teil 16: Zweisprachige Orts- und Straßennamen – nicht nur ein Thema der Gegenwart

Teil 16: Zweisprachige Orts- und Straßennamen

Teil 16: Zweisprachige Orts- und Straßennamen

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Dezenter Unterschied: Østerende und Osterende auf einem alten Straßenschild. Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Schon seit den 1990er Jahren befindet sich ein Straßennamensschild im Bestand des Deutschen Museums Nordschleswig. Es ist das Schild der Kleinen-Rathhaus Straße/Lille Rådhusgade aus Sonderburg. Dieses wurde nach der Volksabstimmung 1920 und der Angliederung Nordschleswigs an Dänemark abgenommen und durch ein dänischsprachiges Schild ersetzt.

Schon früher hatte die deutsche Minderheit den Wunsch nach zweisprachigen Ortsschildern in Nordschleswig geäußert. Es kam aber zu keiner Umsetzung. Am 16. Februar 2015 beschloss der Hauptvorstand des Bundes Deutscher Nordschleswiger eine sprachpolitische Strategie. Hier wünschte man, dass zumindest in den vier Orten Apenrade, Hadersleben, Sonderburg und Tondern zweisprachige Ortsschilder aufgestellt würden. Hintergrund dafür war der Wunsch, „sichtbar zu machen, dass es in Nordschleswig zwei Kulturen gibt, die der dänischen Mehrheitsbevölkerung und die einer – sehr gut integrierten – deutschen Minderheit“.  Darüber hinaus sollte so auch der Stellenwert der deutschen Sprache und Kultur im öffentlichen Raum verbessert werden.

100 Jahre deutsche Minderheit

2020 wird die deutsche Minderheit in  Nordschleswig 100 Jahre. In dem Zusammenhang präsentiert der Bund Deutscher Nordschleswiger  in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Museum in Sonderburg die Serie
„100 Jahre – 100 Gegenstände  – 100 Geschichten“.

 „Der Nordschleswiger“ veröffentlicht 2019 bis 2020  jede Woche  eine der 100 Geschichten  von Museumsleiter Hauke Grella.

 

Nach dem Beschluss des Hauptvorstandes waren die Reaktionen der nordschleswigschen Kommunen eher verhalten. Überraschend war dann, dass in Hadersleben ein zweisprachiges Schild im Stillen und ohne Beschluss des Stadtrates aufgestellt wurde. Der Bürgermeister der Kommune hatte dies veranlasst. Lange sollte dieses Schild aber nicht an seinem angedachten Platz bleiben. Kurze Zeit später wurde es durch unbekannte Täter entfernt. Später fand es seinen Weg ins Museum Sønderborg Slot und wird dort wohl in eine zukünftige Ausstellung eingehen.

Ob nun zweisprachige Ortsschilder in Nordschleswig real werden oder nicht. Die deutschen Bezeichnungen der „großen“ nordschleswigschen Ortschaften werden wohl nicht in Vergessenheit geraten. Anders sieht es mit den Bezeichnungen der kleineren Ortschaften aus. Wer außer einem kleinen Kreis weiß, dass Rudbøl im Deutschen Ruttebüll heißt? Mehr aber noch als die kleinen Dörfer, geraten die deutschsprachigen Bezeichnungen von Straßen in Vergessenheit.

Historisches Straßenschild aus Sonderburg. Foto: Deutsches Museum Sonderburg

 

Schon seit den 1990er Jahren befindet sich ein Straßennamensschild im Bestand des Deutschen Museums Nordschleswig. Es ist das Schild der Kleinen-Rathhaus Straße/Lille Rådhusgade aus Sonderburg. Dieses wurde nach der Volksabstimmung 1920 und der Angliederung Nordschleswigs an Dänemark abgenommen und durch ein dänischsprachiges Schild ersetzt.

Bei diesem Beispiel ist die Bedeutung der Bezeichnung gleichgeblieben. Bei anderen Bezeichnungen ist es nicht verwunderlich, dass beim Übergang zur dänischen Hoheit die Straßennamen komplett ausgetauscht wurden. Als Beispiele sind hier die Sonderburger Straßen Østergade, Kongevej und Engelshøjgade zu nennen. Zur deutschen Zeit hießen diese Straßen Bismarckstraße, Kaiser Wilhelm-Allee und Prinz Heinrich Straße (Bruder Kaiser Wilhelm II.). Neben den politischen Persönlichkeiten wurden aber auch die „Dichter und Denker“ Deutschlands mit dänischen in Sonderburg ausgetauscht. So wurden aus der Schillerstraße die H. C. Andersensgade und aus der Theodor Storm Allee der Brorsonsvej. Einzig Goethe ist als Straßenname (Goethesgade) erhalten geblieben.

In Tondern wurden die ersten Straßenschilder 1850 angebracht. Entgegengesetzt der Niederlage der deutsch gesinnten Schleswiger (Schleswig-Holsteinische Erhebung/Treårskrigen) wurden die Schilder in deutscher Sprache angebracht. Und entgegengesetzt dem Beispiel aus Sonderburg so wurden diese Schilder auch nicht nach der Volksabstimmung 1920 entfernt.

In Tondern hatte man auch nach der Volksabstimmung 1920 eine deutsche Mehrheit im Stadtrat, und bis 1937 stellte der deutsche Teil der Bevölkerung auch den Bürgermeister. Am 14. September 1920 entschied man sich, wohl auch auf Druck von staatlicher dänischer Seite, auch dänische Straßennamensschilder aufzuhängen. Dabei sollten die Namen primär übersetzt werden, aber ihre inhaltliche Bedeutung beibehalten. 

Eine der wenigen Straßennamensbezeichnungen, die diskutiert wurden, war die Bezeichnung der Wolfstraße/Uldgade. Von dänischer Seite war man der Meinung, dass hier 1850 ein Übersetzungsfehler geschehen war und die Straße eigentlich Wollstraße/Uldgade heißen müsste und nichts mit dem Tier zu tun hätte. Der Name sollte aufgrund der in der Straße beheimateten Wollspinnerinnen entstanden sein. Ludwig Andresen, deutsch gesinnter Historiker und Sohn der Stadt, führte an, dass es für den Namen Uldgade in den schriftlichen Quellen nur einen Nachweis gebe und dies ein Fehler sei. Später, als die Straße schon Uldgade hieß, kam eine weitere Erklärung hinzu. Claus Eskildsen, dänischer Verfasser, war der Meinung, dass die Straße nach einem ihrer Bewohner benannt wurde. Umbenannt wurde die Straße nicht mehr.   

Bis Januar/Februar 1921 sollte es dauern, bis die dänischen Schilder angebracht wurden. Dies über den deutschen Schildern. Verwunderlich ist, dass sie 1937 nicht abgenommen wurden, als ein dänischer Bürgermeister gewählt wurde und es keine deutsche Mehrheit im Stadtrat gab. Acht Jahre später, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Besatzung Dänemark durch Deutschland, wurden die deutschen Schilder von Postboten am 11. Mai 1945 entfernt.

In Hoyer erging es den dort 1923 aufgehängten zweisprachigen Straßennamensschildern ähnlich wie in Tondern. Bis auf ein einziges wurden 1945 alle Schilder abgehängt. Wie dieses die Zeit überstand, ist nicht bekannt.  

 

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