100 Jahre Deutsche Minderheit

Uniform eines Zeitfreiwilligen der deutschen Minderheit?

Uniform eines Zeitfreiwilligen der deutschen Minderheit?

Uniform eines Zeitfreiwilligen der deutschen Minderheit?

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Zeitfreiwillige vor der Kaserne in Tondern Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Vorbereitung auf die Invasion Dänemarks durch die Alliierten

Leider müssen wir im Deutschen Museum Nordschleswig öfters mit Vermutungen und Wahrscheinlichkeiten arbeiten, da sich einige Fragestellungen nicht endgültig klären lassen.
Dies betrifft auch die abgebildete Uniformjacke der Wehrmacht. Die einzige Information, die wir über die Jacke haben, ist, dass sie schon lange im Bestand des Museums ist. Es sind aber keine Angaben über den ehemaligen Träger oder den Einlieferer vorhanden. Dies ist nicht weiter verwunderlich, da wir auch in den vergangenen Jahren Fälle hatten, wo Gegenstände einfach vor dem Museum abgestellt wurden.

Deswegen können wir über die Uniformjacke auch nur Vermutungen anstellen, aber keine endgültigen Antworten geben. Da sie bei uns im Museum gelandet ist, lässt sich vermuten, dass sie in irgendeiner Verbindung mit der deutschen Minderheit steht. Viele der Kriegsfreiwilligen kamen in die Waffen-SS. Deswegen ist es zwar nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich, dass die Uniform einem Kriegsfreiwilligen aus der Minderheit gehörte. Wahrscheinlicher ist es, dass die Uniform von einem der ca. 1.600 Zeitfreiwilligen aus den Reihen der Minderheit gehörte.

1942 wurden deutsche Staatsbürger in Dänemark von der Besatzungsmacht zu einem Zeitfreiwilligenkorps eingezogen. Diese sollten im Falle einer Invasion Dänemarks durch die Alliierten unterstützend für die Wehrmacht dienen. Im Winter 1942 kam dann die Idee auf, auch für die Angehörigen der deutschen Minderheit Zeitfreiwilligenkorps einzurichten. Im Januar 1943 rief das Organisationsamt der NSDAP-Nordschleswig, unterschrieben von Peter Larsen, dazu auf, sich als Zeitfreiwilliger zu melden. Geworben werden sollten Männer zwischen 17 und 60 Jahren. Organisatorisch sollte die Werbung und Verwaltung der Zeitfreiwilligen über das Organisationsamt und über die Waffen-SS laufen. Letzteres wohl aus dem Grund, dass man es mit dänischen Staatsbürgern zu tun hatte.

Die praktische militärische Ausbildung sollten wiederum die verschiedenen Garnisonen der Wehrmacht übernehmen, die in Nordschleswig stationiert waren. So z. B. in der Tonderaner Kaserne. Die militärische Ausbildung sollte an zwei Sonntagvormittagen jeden Monat stattfinden. Ausgebildet wurden die Zeitfreiwilligen primär an einfachen Gewehren. Einzelne wurden aber auch an Panzerfäusten oder Maschinengewehren ausgebildet.

Wichtig für unsere Spurensuche ist die Aussage, dass die Uniform und Ausrüstung der Zeitfreiwilligen von der Wehrmacht gestellt werden sollte. Die Rangabzeichen sollten aber von der Waffen-SS gestellt werden. Die Schulterstücke der Uniform bestehen aus dunklem Stoff, umsäumt von einem gelben Faden. Dies würde auf einen Dienstgrad eines Rottenführers der Waffen-SS hinweisen. Vergleicht man dies mit dem Bild der Zeitfreiwilligen aus Tondern, hier in der letzten Reihe die zweite Person von rechter Seite, dann könnten die Schulterklappen von der Uniform und auf dem Bild ähnlich sein. Es lässt sich aber nicht hundertprozentig sagen, da wir es ja mit einem schwarz-weißen Foto zu tun haben.

Die mögliche Invasion Dänemarks war der offizielle Grund für die Einrichtung eines Zeitfreiwilligenkorps für die Angehörigen der deutschen Minderheit. Aber gab es vielleicht noch weitere Gründe? Ein Grund wird nach dem Krieg von vielen Beteiligten bei Verhören immer wieder genannt. Ab 1942 stieg die Anzahl der Gefallenen aus den Reihen der deutschen Minderheit. Gleichzeitig wurde von deutscher Seite der Druck erhöht, noch mehr junge Männer für den deutschen Kriegsdienst zu rekrutieren. Die Zeitfreiwilligen sollten sich für den deutschen Kriegsdienst melden und somit die Gefahr umgehen, im Kriegseinsatz zu sterben. Ob dies wirklich der Grund für die Einrichtung des Zeitfreiwilligenkorps und der Befürwortung vonseiten der Führung der deutschen Minderheit gewesen ist? Interessant in diesem Zusammenhang sind hier die Dokumente, die uns aus der Umgebung von Saxburg vorliegen. Hier wird ein junger Mann mehrmals dazu aufgefordert, sich freiwillig für den deutschen Kriegsdienst zu melden. Dies vonseiten der Waffen-SS und dem Organisationsamt der NSDAP-Nordschleswig. Schlussendlich wurde er dann dazu aufgefordert, sich für die Zeitfreiwilligen zu melden und somit nicht an die Front zu müssen.

Uniformjacke, vermutlich von einem Zeitfreiwilligen Foto: Deutsches Museum Nordschleswig

Im März 1945 wurde beschlossen das Zeitfreiwilligenkorps aufzulösen. Interessant ist, was die folgende Rechtsabrechnung für die Zeitfreiwilligen bedeutet. Durchschnittlich bekamen sie eine Haftstrafe von ungefähr zwei Jahren. Vergleicht man dazu die Kriegsfreiwilligen, so waren es dort ungefähr eineinhalb Jahre. Warum aber wurden die Zeitfreiwilligen härter bestraft als die Kriegsfreiwilligen?

Hier muss man auf die Aufgaben- und Einsatzgebiete der Zeitfreiwilligen schauen. Grundsätzlich hatte man vonseiten der Minderheitenführung sich so hingehend geäußert, dass die nordschleswigschen Zeitfreiwilligen nur gegen „äußere“ Feinde und nicht gegen ihre dänischen Nachbarn eingesetzt werden sollten. Es müsste aber klar gewesen sein, dass dies in Krisensituationen nicht haltbar wäre. Dies zeigte sich schon bei der Augustrevolte/Augustoprøret 1943. Hier wurden auch die Zeitfreiwilligen eingesetzt. Dies u. a. als Patrouille, Übersetzer und für das Ausstellen von Fahr- und Passiererlaubnissen. Vereinzelt sollten sie auch an Verhaftungen teilgenommen haben.

In „normalen“ Zeiten sollten die Zeitfreiwilligen wichtige Infrastrukturobjekte bewachen oder Dienst in der Fahrbereitschaft der Wehrmacht leisten. Die härtere Bestrafung resultierte aber sich daraus, dass der Dienst im Zeitfreiwilligenkorps im eigenen Land abspielte und viele Aufgaben sich gefühlt wie real direkt gegen den dänischen Nachbarn richteten.

Auch wenn wir nicht abschließend sagen können, ob die Jacke einem Zeitfreiwilligen gehörte, so geben uns angestellte Überlegungen doch einen Einblick in einen Teil der nordschleswigschen Geschichte.

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