100 Jahre Deutsche Minderheit

Teil 32: Patenschaften

Teil 32: Patenschaften

Teil 32: Patenschaften

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Patenschaftsurkunde Brunsbüttelkoog Foto: DN

Warum hat das gerahmte Foto der Brunsbütteler Schleusenanlage seinen Weg in die Sammlung des Deutschen Museums in Sonderburg gefunden? Museumsleiter Hauke Grella kennt die spannende Geschichte hither dem Foto.

Die wichtigste Aufgabe eines Museum ist es, Dinge zu sammeln und für die Nachwelt zu bewahren. Die Erstellung einer Ausstellung ist dann erst einer der letzten Arbeitsschritte. Bevor aber überhaupt ein Gegenstand in die Sammlung eines Museums aufgenommen wird, muss dieser erst einmal bewertet und beurteilt werden.

Diese Bewertung hängt vom Museumsleitbild und dem Sammlungskonzept ab. Hier ist in groben Zügen beschrieben, welche thematische Grundlage für das Museum vorliegt. Leitbild und Konzept helfen dabei zu bewerten, ob ein Gegenstand für die Sammlung relevant ist oder nicht. Dies sollte regelmäßig in Erinnerung gerufen werden.

Neben anderen Kriterien ist für das Deutsche Museum Nordschleswig am wichtigsten, dass ein Gegenstand einen klaren Bezug zu Nordschleswig und der deutschen Minderheit hat; darüber hinaus eine besondere oder allgemeingültige Aussage hat.

Ein Foto, mehr als ein Schnappschuss

Das gerahmte Foto der Schleusenanlage in Brunsbüttel wäre bei einer oberflächlichen Betrachtung wohl nicht in die Sammlung des Museums aufgenommen worden. Zwar ist auf der Rückseite vermerkt, dass das Foto im Rahmen eines Besuches der Volksschule Nord von der Stadt Brunsbüttelkoog an die Deutsche Schule Sonderburg überreicht worden ist, aber auch dadurch lässt sich die Bedeutung der Fotografie noch nicht ableiten. Es gibt höchstens Hinweise, in welche Richtung geforscht werden könnte.

Zu diesem Zeitpunkt würde man dann in der Registrierung des Museums schauen, ob weitere Gegenstände zum Beispiel  mit Brunsbüttelkoog in Verbindung stehen. Bei dieser Suche würde dann die Patenschaftsurkunde von 1964, zwischen der Stadt Brunsbüttelkoog und der Deutschen Privatschule Sonderburg, ans Tageslicht kommen. Somit hätte man geklärt, dass die Fotografie ein Gastgeschenk der Patenschaft aus Brunsbüttelkoog war.

Die Idee hinter der Patenschaft

Hat man dies geklärt, tritt man einen Schritt zurück und versucht zu klären, welche Bedeutung die Patenschaften im Allgemeinen zwischen deutsch-nordschleswigschen Einrichtungen und den verschiedensten Körperschaften in Schleswig-Holstein hatten.

Die Idee der Patenschaften wurde schon nach der Volksabstimmung 1920 geboren. Organisatorisch sollte es so laufen, dass jeder Kreis der Provinz Schleswig-Holstein für einen Bereich in Nordschleswig die Patenschaft übernehmen sollte.

Schon der Zweite Weltkrieg schränkte diese Arbeit über die Grenze ein. Mit Ende des Krieges war es so gut wie unmöglich, die Arbeit fortzusetzen. Erst mit der schrittweisen Öffnung der Grenze konnte über die Neuaufnahme der Patenschaftsverbindung nachgedacht werden.

Der Schleswig-Holsteinische Heimatbund bekam 1950 den Auftrag, die Patenschaften zu koordinieren. Einige der „alten“ Patenschaften wurden wiederbelebt, andere wurden neu geschaffen. Förderlich für die Etablierung der Patenschaften war auch das Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik.

Übersicht SHHB und DSSV 1995 Foto: DN

Verbindung vor dem Abreißen bewahren

Zielsetzung der Patenschaften war es die Verbindung und den Austausch zwischen der deutschen Minderheit und Schleswig-Holstein nicht abreißen zu lassen. Durch finanzielle Unterstützung sollte die Arbeit der deutschen Minderheit gestärkt werden.  Anfangs, in den 1920er Jahren, war die Stärkung der deutschen Minderheit mit dem Gedanken verknüpft, die Grenze wieder zu verschieben.

Nachdem man von Seiten der deutschen Minderheit 1945 von einer Grenzrevision abgesehen hatte, ging es grundsätzlich um den Erhalt der Minderheit. Diese war, durch die Folgen des zweiten Weltkriegs, auf finanzielle Hilfen aus Schleswig-Holstein angewiesen, um den Neuaufbau von Institutionen voran zu treiben. Erst als sich die wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland und Dänemark anglichen, rückte der finanzielle Aspekt der Patenschaften in den Hintergrund.

Und auch die Minderheit änderte sich in den Jahren. So war es nicht verwunderlich, dass einige der Patenschaften still und leise einschliefen, da ihr ursprünglicher Zweck und vielleicht auch die Motivation der beteiligten Einrichtungen nicht mehr gegeben waren.

 

Patenschaften veränderten sich

Die Patenschaften, die erhalten bleiben, änderten ihren Zweck weg vom finanziellen hin zu einem freundschaftlichen Austausch auf Augenhöhe. Das Prinzip eines „reichen Onkels auf Besuch“ war damit Geschichte.

Auch die Patenschaft zwischen der Deutschen Schule Sonderburg und Brunsbüttelkoog scheint still und ruhig eingeschlafen zu sein. In dem Buch „75 Jahre Patenschaften mit der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig“ von 1995 wird die Patenschaft nicht mehr angeführt. Auch im Jahresbericht des Deutschen Schul- und Sprachverein für Nordschleswig für das Schuljahr 1981/1982 findet die Patenschaft keine Erwähnung mehr. Ein möglicher Grund, warum sich die Patenschaftsverbindung auflöste, könnte die Erweiterung des Stadtgebietes von Brunsbüttelkoog 1970 und die Umbenennung der Stadt in Brunsbüttel gewesen sein. Aber dies ist nicht bestätigt.

Nichtsdestotrotz stehen Fotografie und Patenschaftsurkunde exemplarisch für die Verbindung, die nach 1920 und dann wieder nach 1945 mit Schleswig-Holstein aufgebaut und gepflegt wurden. Deswegen war es auch keine Frage, dass beide Objekte in der Sammlung des Museums aufgenommen wurden.

PS: Die Deutsche Schule Sonderburg hat weiterhin eine aktive Partnerschaft mit der Kieler Schule am Sonderburger Platz, die jedes Jahr mit neuem Leben gefüllt wird!

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