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Preußische Provinz oder Bundesstaat Schleswig-Holstein

Preußische Provinz oder Bundesstaat Schleswig-Holstein

Preußische Provinz oder Bundesstaat Schleswig-Holstein

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Postadler Rinkenis. Foto: Deutsches Museum Sonderburg

1867 wurde Schleswig-Holstein preußische Provinz – und einige Jahre später damit auch Teil des deutschen Kaiserreichs. Viele Gegenstände und Symbole sind aus dieser Zeit erhalten geblieben.

So können wir uns im Deutschen Museum Nordschleswig glücklich schätzen, dass wir u. a. einen Adler vom alten Postamt in Rinkenis in unserer Sammlung haben. Dieser hat die Ausmaße von ca. 136 cm in der Höhe und ungefähr 110 cm in der Breite. Die Größe des „Postadlers“ ist schon verwunderlich, bedenkt man, dass Rinkenis nicht unbedingt der größte Ort Nordschleswigs war oder ist. Die Begründung liegt, nach einer Erzählung, darin, dass in der Nähe von Rinkenis, in Stranderott /Stranderød viele Räuchereien lagen. Diese verschickten ihre geräucherten Waren mit der Post. Wegen der Masse an Versendungen war das Postgebäude und damit auch der Adler dementsprechend groß. Nach dem Ersten Weltkrieg war dies nicht mehr der Fall und das Posthaus verlor an Bedeutung. Nach der Volksabstimmung 1920 wurde der Adler abmontiert und von einer deutsch gesinnten Familie aufbewahrt.

Büste Kaiser Wilhelm der I Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Die Büste von Kaiser Wilhelm des I. ist ein weiteres Exponat aus dieser Zeit. Diese stand zuletzt im königlichen Amtsgericht an der Kaiser-Wilhelm-Allee in Sonderburg. Heute besser bekannt als Kongevej. Sie wurde später im „Haus Adalbert“ gelagert und dort Ende der 1980er Jahre wiederentdeckt.

Beide Exponate zeigen, wie Präsent das deutsche Kaiserreich, und im besonderen Preußen, in Schleswig-Holstein bzw. Nordschleswig gewesen sind. Vielleicht liegt auch hier die Begründung, dass der Schreiber dieses Artikels als Jugendlicher noch als Preuße beschimpft worden ist.

Auch wenn Preußen und seine Symbole sehr präsent waren, so waren sie anfangs sicher nicht das Bild, und die staatliche Form, die sich viele Einwohner Schleswig-Holsteins gewünscht hatten.
Eine leicht negative Haltung gegenüber Preußens machte sich schon während und nach der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848–1851 bemerkbar. Dies, nachdem sich Preußen aus dem Konflikt herausgezogen hatte und die Schleswig-Holsteiner allein gegen Dänemark standen. Gleichwohl sah man aber die Notwendigkeit eines starken Preußens, um eine Einigung der deutschen Staaten zu erreichen.

Mit dem sich anbahnenden Krieg von 1864 keimte bei den Schleswig-Holsteinern die Hoffnung auf, dass dadurch vielleicht der Weg zu einem freien, eigenständigen und deutschen Schleswig-Holstein bereitet werden könnte. An die Spitze dieser Bewegung setzte sich Friedrich Christian August von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg und formulierte seinen Erbanspruch als Herzog von Schleswig-Holstein.

Diese Gruppe wurde auch die Augustenburger Bewegung genannt und stand mit ihrer Zielsetzung im Konflikt zur preußischen. Preußen hatte eine Einverleibung Schleswig-Holsteins im Sinn, formulierte dies aber anfänglich nicht öffentlich.

Neu entstandene Zeitungen, wie z. B. die „Kieler Zeitung“, Schleswig-Holsteinische Vereine und eine Allianz von Liberalen bis zur demokratischen Linken standen zu diesem Zeitpunkt hinter Friedrich Christian August und forderten einen Schleswig-Holsteinischen Bundesstaat.

Nach dem Krieg von 1864 wurde Schleswig-Holstein gemeinsam von Österreich und Preußen Verwaltet. Ab August 1865 verwaltete Österreich Holstein und Preußen Schleswig. In welcher Staatsform das Ganze enden würde, war zu diesem Zeitpunkt aber nicht abzusehen. Nach der Aufteilung der Verwaltung ging Preußen deutlicher gegen die Augustenburger Bewegung vor. Im Oktober 1865 wurde es verboten, Friedrich Christian August als Herzog zu bezeichnen. Im Monat darauf wurden die „Schleswig-Holsteinischen Vereine“ aufgelöst und die drei „Augustenburger“ Zeitungen verboten.

Als Österreich im Juni 1866 die Holsteinischen Stände versammelte, um über die Zukunft des Herzogtums zu beraten, nahm Preußen dies als Anlass, um gegen Österreich Krieg zu führen. Bekanntermaßen konnte Preußen diesen Krieg für sich entscheiden und seine Vormachtstellung ausbauen.

Damit stand auch der Einverleibung Schleswig-Holsteins als preußische Provinz nichts mehr im Wege. Unter dem Eindruck des Sieges von Preußen wandelte sich auch die Einstellung in Teilen der Schleswig-Holsteinischen Bevölkerung. Man sah Preußen auch als Garant dafür, sich gegen dänische Bestrebungen zu schützen.

Am 17. Januar 1867 wurde die Annexion offiziell vollzogen. Wie dies in Teilen Schleswig-Holsteins aufgenommen wurde, kann man anhand einer kleinen Erzählung aus Tondern nachvollziehen. Dort sollte die Einverleibung eigentlich mit einem großen Festakt auf dem Marktplatz begangen werden. Als dieser Vorschlag zur Abstimmung in der Bürgerschaft kam, wurde er mit 31 zu 21 Stimmen abgelehnt. Stattdessen begnügte man sich mit einem kleineren Festessen.

Erst mit der Zeit sollte man sich in Schleswig-Holstein mit der neuen Situation anfreunden. Der wirtschaftliche Aufschwung, die Umstrukturierung der Verwaltung und 1871 die Gründung des Kaiserreiches sorgten langsam für eine bessere Stimmung.

Als starkes Symbol, für die Verbindung Preußens und Schleswig-Holstein, wirkte dann die Hochzeit zwischen Wilhelm von Preußen, dem späteren Kaiser Wilhelm II., mit der Tochter von Friedrich Christian August, Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, im Jahr 1881.

Spätere Bauten, wie der Bismarckturm auf dem Knivsberg, verfestigten die Verbindung zwischen Schleswig-Holstein und Preußen.

Postadler Rinkenis. Foto: Deutsches Museum Sonderburg
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