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Karte des Wohlfahrts- und Schulvereins für Nordschleswig

Karte des Wohlfahrts- und Schulvereins für Nordschleswig

Karte des Wohlfahrts- und Schulvereins für Nordschleswig

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Die Deutsche Schule Rödding, wie sie etwa 1943 aussah Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Ein „Zwischenergebnis“ im Nationalitätenkampf des Grenzlandes / Es geht um ein Kräfteverhältnis

Schon die Überschrift der abgebildeten Karte macht deutlich, dass es hier um das Kräfteverhältnis im nationalen Gegensatz im alten Herzogtum Schleswig geht. Dies zum Zeitpunkt des 1. Mai 1936. Trotzdem bedarf es einer genaueren Betrachtung, um genau zu verstehen, was auf der Karte gezeigt wird.

Um die Symbole in den Kreisen zu erklären, schauen wir uns einmal die Stadt Tondern genauer an. Die dänischen Symbole sind in der Darstellung grundsätzlich immer in roter Farbe, die deutschen Symbole immer in blauer Farbe gehalten. Aus der Abbildung geht hervor das Tondern folgende deutsche Einrichtungen hatte. Bücherei, eine deutschsprachige Abteilung an einer dänischen Kommunalschule, eine private Mittelschule, Versammlungshaus, Sitz eines Geistlichen einer deutschen Gemeinde innerhalb der dänischen Volkskirche, einen Kindergarten, Jugendarbeit, eine Jugendherberge und eine Schwesternstation bzw. Wohlfahrtspflege. Hinter dem Begriff Jugendarbeit konnten sich verschiedene Dinge „verstecken“. Im Falle von Tondern konnten dies u. a. der Turnerbund Tondern, der Wandervogel, aber auch die Deutsche Mädchenschaft bzw. Deutsche Jungenschaft Nordschleswig sein.

Für die dänische Seite konnte 1936 in Tondern Folgendes geboten werden. Bücherei, eine höhere Schule, Versammlungshaus, eine Jugendherberge, Jugendarbeit und ein Kindergarten.

So wurde versucht, alle Bildungs- und Kultureinrichtungen im weiteren Sinne von deutscher und dänischer Seite zu erfassen. Damit bekam man sozusagen einen aktuellen „Zwischenstand“ im nationalen Ringen vermittelt.

Grundsätzlich sagte die Vielzahl von Einrichtungen, egal ob änisch oder deutsch, auch etwas über die Größe des Ortes. Darüber hinaus konnte und kann man aber auch deutlich ablesen, wo sich die Kraftzentren des Dänen- und Deutschtums im alten Herzogtum Schleswig befanden. Nicht überraschend ist es, dass gerade in den größeren Städten Nordschleswigs viele deutsche Einrichtungen zu finden waren.
Schon erstaunlich ist es, welche deutschen Einrichtungen im nördlichen Teil Nordschleswigs, also nahe der alten Königsaugrenze, zu finden waren. Guckt man auf den Ort Rödding/Rødding, so gab es dort eine Bücherei, eine deutsche Privatschule, Jugendarbeit und einen Pastor von der Nordschleswigschen Gemeinde. Die auf dem Foto gezeigte deutsche Schule in Rödding/Rødding wurde 1926 eingeweiht und hatte bis 1945 einen Schülerdurchschnitt von ca. 22 Schülern pro Jahr.

Nationalitätenkampf – per Karte dargestellt Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Das Zusammentragen der Informationen muss viel Zeit und Mühe gekostet haben. Herausgegeben wurde die Karte vom Wohlfahrts- und Schulverein für Nordschleswig. Dieser war schon 1919 gegründet worden. In der Satzung des Vereins ist die Zielsetzung wie folgt beschrieben: „ … die geistige, sittliche und berufliche Förderung der Bevölkerung Nordschleswigs unter besonderer Berücksichtigung deutsch-völkischer Interessen, vornehmlich durch Unterhaltung geeigneter Bildungsstätten“.

 

Neben der Beschaffung von Mitteln für die Ein- und Errichtung verschiedenster Bildungseinrichtungen setzte man sich besonders im Bereich der Volkshochschularbeit, dem Stipendienwesen und dem Vortragswesen ein. Schnell fokussierte man auch auf den Aufbau und die Errichtung von Büchereien im deutschen Grenzgebiet und dann auch in Nordschleswig. Der schon im Namen genannte Bereich der Schulen stand aber den anderen Schwerpunkten hinten an. Gerade der Bereich des Büchereiwesens wurde im Verlauf der Zeit immer mehr zu dem primären Schwerpunkt in der Arbeit des Wohlfahrts- und Schulvereins für Nordschleswig.

Hatte der Verein in den ersten Jahren nach der Volksabstimmung wohl eher den Ansatz eines fairen Wettstreites mit der dänischen Seite, so änderte sich dies wohl unter der Führung von Ernst Schröder ab 1932. Bis 1939 konnte der Verein seine Eigenständigkeit auch in Zeiten des Nationalsozialismus bewahren. Dann wurde er organisatorisch an den VDA, den Verein für das Deutschtum im Ausland, eingebunden. Ende 1942 musste er endgültig sein Aufgabenfeld in Nordschleswig an den VDA abgeben. 1946 konnte er seine Arbeit unter dem Namen „Verein für Erwachsenenbildung und Büchereiwesen“ wieder aufnehmen und wurde zum unmittelbaren Vorläufer des Deutschen Grenzvereins.

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