100 JAHRE DEUTSCHE MINDERHEIT

Teil 7: Schulwandkarte Nordschleswig

Teil 7: Schulwandkarte Nordschleswig

Teil 7: Schulwandkarte Nordschleswig

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Sonderburg/Sønderborg
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Karte von Nordschleswig, erstellt von Jonas Sönnichsen Foto: Museum

Heute existieren noch vier der handgezeichneten Karten von Jonas Sönnichsen. In den 1950er Jahren herrschte großer Mangel an Schulmaterial

In den Jahren von 1933 bis 1945 hatte sich die deutsche Minderheit gedanklich und organisatorisch nahezu hundertprozentig dem Nationalsozialismus angeschlossen. Einer der Hauptgründe für den hohen Zuspruch war die Volksabstimmung von 1920 und die damit verbundene Trennung Nordschleswigs von Deutschland. Direkt nach der Volksabstimmung war es das Bestreben der deutschen Minderheit, die Grenze zwischen Deutschland und Dänemark wieder gen Norden zu verschieben. Um dieses Ziel zu erreichen brauchte man einen starken Zusammenarbeitspartner. Diesen dachte man 1933, in den Nationalsozialisten gefunden zu haben.  

Zerschlagung der Strukturen

Der große Zuspruch und der Wandel aller organisatorischen Strukturen hin zum Nationalsozialismus hatten nach Kriegsende die Konsequenz einer Zerschlagung der organisatorischen Strukturen der Minderheit. Darunter die Schließung der 30 kommunalen deutschen Schulabteilungen und der 59 deutschen Privatschulen. 

Mit den Erfahrungen von 1933 bis 1945 revidierte Dänemark seine liberale Grundhaltung in Bezug auf den deutschen Unterricht in Nordschleswig. Eine Ministerverfügung vom 25. Juni 1945 sorgte für die Schließung aller deutschsprachiger Schulen. Begründet wurde dies mit einer Überprüfung des Lehr- und Lernmaterials. Das Gesetz Nr. 610 vom 21. 12. 1945 verbot dann die Wiedererrichtung der öffentlichen deutschen Schulabteilungen und nahm den deutschsprachigen Privatschulen das Examensrecht. Das Gesetz gestattete zwar den Unterricht an Privatschulen, aber zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr möglich, die bisherigen Schulgebäude zu nutzen. Das Gesetz Nr. 500 vom 09. 10. 1945 ordnete die Rückzahlung von Kriegsgewinnen an. Vereinfacht gesagt, Schulden, die das Deutsche Reich bei Dänemark gemacht hatte.

Begleichung der Schuld

Zum Begleichen dieser Schulden wurden auch die Privatschulgebäude der deutschen Minderheit herangezogen. Darüber hinaus waren viele der Lehrkräfte inhaftiert worden, wurden als deutscher Staatsbürger des Landes verwiesen oder mussten auf ihre politische Zuverlässigkeit hin überprüft werden. Somit war an regulären Unterricht nicht zu denken. Das Gesetz Nr. 412 von 1946 bestätigte die Aufhebung der öffentlichen deutschen Schulabteilungen und das Verbot der Examensschulen. 

Trotz der veränderten Grundhaltung Dänemarks konnten 1946 vier deutsche Schulen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Einige Jahre später konnten auch 13 der „verrechneten“ Gebäude zurückgekauft werden. Auch wenn es keinen Weg zurück zur liberalen Grundhaltung Dänemarks und der öffentlichen deutschen Schulabteilungen gab, so entspannte sich die Lage doch. Das Gesetz Nr. 214 von 1952 brachte einige Erleichterungen. Die Anerkennung von Lehrkräften konnte nicht mehr frei widerrufen werden, Lehr- und Lesebücher mussten nun nicht mehr vorher genehmigt werden und die deutschen Schulen standen nicht mehr unter der Aufsicht der örtlichen Schulkommissionen, sondern wurden der Kreisaufsicht unterstellt.

Nis-Puk-Hefte, erstellt von Frederik Christensen, Grafiken von A. G. Nissen Foto: Museum

Mit dem Gesetz Nr. 165 von 1955 fiel dann auch die gravierendste Einschränkung: Als „Nebenprodukt“ der Bonn-Kopenhagener Erklärungen  wurde das Examensverbot für die deutschen Schulen Nordschleswigs aufgehoben. Zu diesem Zeitpunkt gab es schon wieder 30 deutsche Schulen mit fast 1.000 Schülern. Mit der Eröffnung des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig 1959 konnten Angehörige der deutschen Minderheit auch wieder ihr Abitur an einer deutschen Schule Nordschleswigs ablegen.   

Unterrichtsmaterial weg

Neben der indirekten Schulschließung durch die Überprüfung von Lehr- und Lernmaterialien 1945 standen damit auch die Unterrichtsmaterialien der deutschen Minderheit und dem deutsch-nordschleswigschen Schulwesen nicht mehr zur Verfügung. Darum mussten Mittel und Wege gefunden werden, den 1946 neu begonnenen Unterricht mit Unterrichtsmaterialien zu versorgen. Frederik Christensen, nach dem Zweiten Weltkrieg Schulrat des Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig, tat das seinige, um das Problem zu lösen. Bei Lesebüchern, die aufgrund ihres nationalsozialistischen Inhaltes nicht mehr benutzt werden konnten, schnitt er kurzerhand die belasteten Seiten heraus und benutzte die Bücher wieder. Trotzdem fehlte es an geeignetem Unterrichtsmaterial. Deswegen beschloss Frederik Christensen die Eigenproduktion von Lesefibeln. Diese wurden in fast monatlichen Ausgaben von 1947 bis 1949 herausgegeben und nach der volkstümlichen Märchenfigur Nis Puk benannt.    

Lehrkräfte halfen

In der Beschaffung von Unterrichtsmaterialien wurde Frederik Christensen auch durch weitere nordschleswigsche Lehrkräfte unterstützt. Jonas Sönnichsen, 1901 in Tondern geboren, machte in den Jahren von 1917 bis 1923 in Tondern bzw. Niebüll seine Ausbildung zum Lehrer. Danach folgten unter anderem bis 1945 Stationen in Tondern, Renz und Seth. Also jeweils Schulen der deutschen Minderheit. Warum genau er 1945 bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit verurteilt wurde, müsste genauer untersucht werden. Es folgten aber eine Zeit als Gefangener im Faarhuslager bei Pattburg und ein Berufsverbot als Lehrer. 1954 bekam er aber wieder eine Anstellung als Lehrer in Norburg und später in Sonderburg. In dieser Zeit muss auch das eigenständige Erstellen von Landkarten gefallen sein.

Bedarf weiterhin groß

Obwohl der Schleswig-Holsteinische Heimatbund ab 1952 schon mit dem Verkauf von Marken Gelder für die Nordschleswigschen Schulen sammelte, war der Bedarf immer noch sehr groß. So zeichnete, wie viele genau ist nicht bekannt, Jonas Sönnichsen von Hand und wahrscheinlich mit der Hilfe von selbst gefertigten Schablonen Karten von Nordschleswig. Eingezeichnet wurde unter anderem farblich, wie hoch die unterschiedlichen Gebiete über dem Meeresspiegel liegen, Wälder, Seen,  Straßen, Eisenbahnstrecken, Dörfer und Städte. Zudem wurden die Dörfer und Städte größtenteils mit dänischem und deutschem Namen beschriftet, und die alte Grenze von vor 1920 wurde auch eingezeichnet.

 In den Museen der deutschen Minderheit, dem Deutschen Schulmuseum Nordschleswig und dem Deutschen Museum Nordschleswig in Sonderburg, sind vier der handgezeichneten Karten von Jonas Sönnichsen erhalten geblieben.

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