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Deutsche Berufsgruppen Nordschleswig und die Liefergemeinschaft

Deutsche Berufsgruppen Nordschleswig und die Liefergemeinschaft

Deutsche Berufsgruppen Nordschleswig

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
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Mitgliedsausweis DBN / Anstecknadeln DBN / Mitarbeiterausflug der DBN Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Die deutsche Besatzungsmacht hatte Aufträge zu vergeben, die Minderheit gründete für eine Zusammenarbeit ihren Verein / Streit mit dänischen Firmen

Mit der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 begann in vielen Bereichen auch eine wirtschaftliche Zusammenarbeit. Neben den Exporten nach Deutschland verteilte die Besatzungsmacht u. a. Aufträge im Bereich der Lebensmittelversorgung und für den Bau von militärischen Anlagen. Da die dänische Wirtschaft von Importen abhängig war, und man befürchtete das diese unter den gegebenen Bedingungen zusammenbrechen würde, war man in diesem Sinne zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit bereit.

Obwohl diese Zusammenarbeit von der dänischen Regierung gewünscht war, wurde schnell Kritik daran geübt. Man sah, dass einige Firmen übermäßig Geld verdienten und sich auch nicht an geltendes Recht, bei der Ausführung der Arbeiten, hielten. In der damaligen illegalen dänischen Presse wurde der Begriff des Værnemager geprägt, also einer Person, die wirtschaftlich mit der Besatzungsmacht zusammenarbeitete.

Auch die deutsche Minderheit hatte ein wirtschaftliches Interesse daran, mit der Besatzungsmacht zusammenzuarbeiten.

Schon 1936 hatte man den Deutschen Handlungsgehilfen Verein gegründet. Die ursprüngliche Zielsetzung des Vereins war, dass man Jugendlichen eine Ausbildung vermitteln konnte und diese dann auch im nationalsozialistischen Sinne schulen wollte. Später wurde der Name in „Deutsche Berufsgruppen Nordschleswig, Arbeitsfront der Volksdeutschen“ kurz DBN, geändert. Unterteil wurde die DBN in drei Bereiche. Dies waren Handel, Handwerk und Arbeiterschaft. Unter den DBN gab es weitere Unterabteilungen wie das „Amt für Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung“, die „deutsche Abendschule des DBN“ und die „Gewerbehilfe und Gewerkhilfe“. Letzteres half Handwerkern bei Krediten und Kautionen.

Direkt nach der Besatzung wurde von dänischer und deutscher Seite über die jeweilige andere Seite, und deren wirtschaftliches Verhalten, geklagt. Von dänischer Seite wurde beklagt, dass die Besatzungssoldaten Listen mit deutschen Händlern und Handwerkern erhalten haben sollen, und deswegen weniger Geschäfte mit Dänen zustande kamen.

Von deutscher Seite beklagte man, dass gezielt deutsche Geschäfte und Firmen von dänischer Seite nach der Besatzung boykottiert würden. Als Beispiel nennt Jens Möller, beim deutschen Gesandten in Kopenhagen, dass ein Frisör mindestens 70 dänische Kunden, nach dem 9. April 1940, verloren hätte. Möller behauptet zu diesem Zeitpunkt, dass es schon Boykottlisten mit deutschen Firmen und Geschäften gegeben haben sollte. Dies wurde von dänischer Seite bestritten.

Und die DBN war auch die „Liefergemeinschaft“ angegliedert. Diese sollte Aufträge in verschiedenster Form absprechen und dann unter ihren Mitgliedern verteilen. Schon kurz nach der Besatzung, wandte man sich von der DBN/Liefergemeinschaft direkt an die Wehrmacht, um Aufträge zu erhalten. Schnell wuchs das Volumen der Aufträge an. Dies regte Kritik von dänischer Seite. Unter anderem, weil viele Aufträge außerhalb Nordschleswigs lagen und weil die Liefergemeinschaft Aufträge annahm, die deren Mitglieder gar nicht alleine bewältigen konnten. Deswegen wurden dänische Firmen als Unterlieferanten eingesetzt. Lieber hätte man es von dänischer Seite gesehen, dass die Firmen direkt die Aufträge erhielten und damit nicht in eine Abhängigkeit der Liefergemeinschaft geraten.

Von dänischer Seite sah man die Liefergemeinschaft als eine Vermischung von wirtschaftlichen und politischen Interessen. Auch weil Überschüsse aus der Liefergemeinschaft in die kulturelle „Deutschtums-Arbeit“ gesteckt wurde. Man empfand die Stärkung der deutschen Firmen im Landesteil auch als eine Stärkung des Deutschtums im Allgemeinen.

Von dänischer Seite wurde gewünscht, die Aktivitäten der DBN/Liefergemeinschaft auf Nordschleswig zu begrenzen und auch eine finanzielle Obergrenze einzuführen. Dagegen werte sich die DBN über verschiedene Kanäle. In einem Bericht von 1943 bezifferte Rudolf Stehr den Umsatz der Liefergemeinschaft, auf etwa 100 Millionen Kronen.

In der Rechtsabrechnung wurden etwa 1.000 Personen, wegen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht mit Haft bestraft. Davon waren laut Angabe von Ernst Siegfried Hansen etwa 120 Personen aus der deutschen Minderheit. Die erzielten Gewinne mussten wohl nur im kleinen Maße an den dänischen Staat gezahlt werden.

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