„Tingstedet“

Bei Grenzkontrollen-Talk allein auf weiter Flur

Bei Grenzkontrollen-Talk allein auf weiter Flur

Bei Grenzkontrollen-Talk allein auf weiter Flur

gn/swa
Kopenhagen
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Hinrich Jürgensen diskutiert die Grenzkontrollen mit Kaare Solhøj Dahle (im Vordergrund) und JydskeVestkysten-Chefredakteur Mads Sandemann. Foto: Søren Gylling/ JydskeVestkysten

Bei der JydskeVestkysten-Veranstaltung „Tingstedet“ in Rödding diskutierte der BDN-Hauptvorsitzende Hinrich Jürgensen mit Ex-DF-Mitglied Kaare Solhøj Dahle über die Grenzkontrollen und unterstrich seine Meinung der reinen „Symbolpolitik“. Viele Unterstützer fand der BDN-Chef nicht im Saal – trotzdem konnte man sich am Ende noch teilweise einigen.

Wählerstimmung Blockweise

Unter den Wählern der Parteien des Roten Blocks sind 40 Prozent dafür, die Grenzkontrollen zu erhalten, 47 Prozent sind für eine Abschaffung. 

Im Blauen Block sind 79 Prozent für einen Erhalt, und 15 Prozent wollen die Grenzkontrollen abschaffen.

Normalerweise kommen Folketingsabgeordnete, um zu reden, aber am Mittwoch hatte die Regionalzeitung JydskeVestkysten die Parlamentarier in die Volkshochschule nach Rödding zum Zuhören bestellt. Beim alljährlichen „Tingstedet“ sollten die Abgeordneten nämlich hören, was sich in Südjütland und Nordschleswig rührt. Neben Themen wie die Zukunft der Regionen, Arbeitsmarkt und Schulreform hatte JV auch den Hauptvorsitzenden des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hinrich Jürgensen, eingeladen, um mit dem Parteilosen Kaare Solhøj Dahle aus Apenrade über die Grenzkontrollen zu diskutieren.

„Ich bin nicht gegen Grenzkontrollen, und Dänemark hatte keine andere Wahl, als im September 2015 Grenzkontrollen einzuführen“, sagte Hinrich Jürgensen angesichts des Flüchtlingszustroms vor zwei Jahren und dem Beschluss der Schweden, die Grenzen zu schließen. „Aber ich bin für intelligente Grenzkontrollen zum Beispiel mit elektronischer Überwachung.“ Jürgensen kritisierte die jetzigen Kontrollen und bezeichnete sie als Symbolpolitik, da man der Bevölkerung vormache, die Grenzen zu sichern. Dabei seien die meisten der Grenzübergänge gar nicht bewacht.

„Die Polizei hat für die Bewachung der Grenze umgerechnet 525 Beamte eingesetzt. Das ist eine riesige Verschwendung. Ich glaube, die Polizei könnte mit diesen Beamten viel mehr Kriminalität bekämpfen, als wenn sie an der Grenze stehen und Autos durchwinken muss“, sagte Jürgensen. 

Bessere Grenzkontrollen

Dass die Grenzbewachung löchrig sei, darin war sich Kaare Solhøj Dahle (der über die Dänische Volkspartei im Apenrader Stadtrat sitzt, jetzt aber parteilos ist) mit Jürgensen einig: „Daher wollen wir auch gern noch mehr und eine noch effizientere Grenzkontrolle“, sagte  Dahle. Er meint, dass die Grenzkontrollen dennoch einen Effekt haben. Auf Hinrich Jürgensens Vorschlag, die Grenzkontrollen abzuziehen und dann erst wieder einzusetzen, falls es wieder nötig werde, wollte er nicht eingehen.

Mehrheit für Kontrollen

Dahles Hauptargument für die jetzigen Grenzkontrollen: Eine Mehrheit der Dänen will die Kontrollen. „Dabei bleibt es, und ich glaube, dass wir noch lange Grenzkontrollen haben werden.“

Tatsächlich wünscht sich eine Mehrheit der Dänen die Fortsetzung der Kontrollen auch nach dem 11. November, wenn die jetzige Bewilligung der EU ausläuft. So zeigt eine neue Norstat-Umfrage für Altinget, dass 59 Prozent der Dänen eine Weiterführung der Kontrollen an den Grenzen befürworten, 29 Prozent sähen es gerne, wenn die Kontrollen im November endeten. 78 Prozent der Venstre-Wähler sind für den Erhalt der Kontrollen, nur 16 Prozent wollen sie abschaffen. Bei den Sozialdemokraten sagen 55 Prozent der Wähler Nein zum Ende der Grenzkontrollen.  Bei der Dänischen Volkspartei und Nye Borgerlige liegt der Anteil der Befürworter bei 91 Prozent. Wähler der Alternative wollen die Kontrollen ab November abschaffen.

Wenig Unterstützung für Jürgensen

Bei der anschließenden Diskussion mit den Zuhörern zeigte sich recht schnell, dass Hinrich Jürgensen allein auf weiter Flur war. Von Politikern aus den Lagern der Dänischen Volkspartei und Sozialdemokraten  erhielt Dahle Unterstützung. Jürgensen kaum.
Dennoch konnten sich der BDN-Hauptvorsitzende und sein Kontrahent darüber einigen, dass das eigentliche Problem teils die offenen Außengrenzen der EU und die jetzigen Asylregelungen seien, aber auch der große Unterschied im Wohlstand zwischen Europa und Afrika. „Daher werden wir noch lange  einen Zustrom von Flüchtlingen erleben. Sie kommen nicht, weil sie    vor Krieg flüchten, sondern weil sie sich hier bei uns ein besseres Leben erhoffen. Das kann man ihnen nicht verdenken“, meint Kaare Solhøj Dahle. Dafür wolle er die Tore zu Dänemark allerdings nicht öffnen.

EU gibt grünes Licht

Die EU-Kommission hat am Mittwoch zukünftigen Grenzkontrollen den Weg bereitet. Sie schlug den Mitgliedsstaaten vor, die maximale Dauer von Grenzkontrollen im Schengenraum auf drei Jahre zu verlängern. Die bisherigen Zeiträume für Kontrollen an den Binnengrenzen wegen „ernsthafter Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ seien womöglich nicht in allen Fällen ausreichend, erklärte die Kommission.

 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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