Leitartikel

Was nun, SSW?

Was nun, SSW?

Was nun, SSW?

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Lars Harms, Vorsitzender des SSW Foto: Archiv

Die Schleswig-Holsteiner haben gewählt. Sie wollen die amtierende Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW nicht länger haben. Die Partei der dänischen Minderheit müsse sich nun Frage, ob eine einseitige Orientierung der richtige Weg sei, meint Siegfried Matlok.

Die Schleswig-Holsteiner haben gewählt. Sie wollen die amtierende Küstenkoalition aus SPD, Grünen und SSW nicht länger haben. Die Partei der dänischen Minderheit müsse sich nun Frage, ob eine einseitige Orientierung der richtige Weg sei, meint Siegfried Matlok.

Wer seit Jahrzehnten die schleswig-holsteinische Landespolitik beobachtet und verfolgt hat, dem verschlug es am Sonntagabend zunächst die Sprache: das Ergebnis war sensationell wie nie zuvor. Das Scheitern der bisherigen Küstenkoalition kam zwar nach jüngsten Umfragen nicht ganz überraschend, doch der Aufstieg von CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther und sein klarer Sieg über den bisherigen Ministerpräsidenten Albig ist in der deutschen Parteiengeschichte ziemlich einmalig. Wenn man bedenkt, dass die Umfragewerte sowohl für die Koalition aus SPD, Grünen und SSW noch letzte Woche im positiven Bereich lagen – Albig im direkten Vergleich auch noch ein gutes Stück vor Günther – , dann muss in den letzten Tagen etwas geschehen sein, was niemand vorhersehen konnte. Jetzt wird Albig wegen Trennung von seiner Frau aufgrund neuer Liebe zum Sündenbock gemacht.

Das mag medial den Absturz mitverstärkt haben, aber vielleicht liegt die Wahrheit etwas tiefer: in der völligen, ja fast arroganten Unterschätzung von Günther durch die SPD, dessen Herausforderung vom ersten Tage an wie eine  Majestätsbeleidigung aufgefasst wurde. Spätestens beim direkten Fernsehduell mit Albig erwies sich Günther als ein neuer CDU-Mann, der nicht nur von der Person her, sondern auch inhaltlich der SPD einen schweren K.-o.-Schlag versetzte. Die Koalitionsfrage bleibt dennoch offen; hängt von der FDP und vor allem von den Grünen ab, doch niemand wird wohl ernsthaft erwarten, dass der Wahlsieger Günther von Albig unter diesen Umständen wieder auf die Oppositionsbank geschickt werden kann. 

Die Küstenkoalition ist gescheitert, damit ist auch das historische Experiment mit der erstmaligen Beteiligung der dänischen Minderheiten-Partei in der Landesregierung gescheitert – jedenfalls nach Ansicht der Wähler. Obwohl Ministerin Anke Spoorendonk – durchaus verdient – hohe Anerkennung für ihre Arbeit erhalten hat, brachte auch ihr freiwilliger Verzicht dem SSW herbe Stimmenverluste. Natürlich konzentriert sich das Medieninteresse auf die SPD-Niederlage, aber der SSW hat ja eine noch schwerere Niederlage hinnehmen müssen. 

Wenn in einem dänischen Pressekommentar dennoch von „godt gået“ die Rede ist, falls die drei Landtagsmandate behauptet werden können – was ja letztlich der Fall ist – , dann lügt man sich gewaltig in die eigene Tasche. Gerecht oder nicht, Zahlen sind Wahrheit: bei der letzten Landtagswahl ging der SSW von 69.701 auf 61.025 Stimmen zurück, minus 8.676.  Dann folgte der Einstieg in die Regierung, der SSW glaubte selbstbewusst an die Wende. Wenn nicht jetzt, wann dann? Doch Sonntag büßte der SSW gegenüber 2012 insgesamt 12.084 Stimmen ein, das sind fast 20 Prozent! Nur ein Beispiel: in der einstigen Hochburg Flensburg ging der SSW von 18,6 auf 12,4 Prozent zurück, ist hinter den Grünen nicht einmal mehr dritte Kraft in der Fördestadt. 

Wunden lecken: der SSW muss sich z. B. fragen, ob eine einseitige Orientierung an der SPD richtig ist. 
Die CDU so strikt auszuschließen, ist nicht der richtige Weg unter Demokraten!   
 

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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