Leitartikel

Matadorin Lise 100

Matadorin Lise 100

Matadorin Lise 100

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Lise Nørgaard feiert Mittwoch ihren 100. Geburtstag. Foto: Scanpix

Am Mittwoch feiert Lise Nørgaard ihren 100. Geburtstag. Sie gilt nach der Königin Margrethe als die zweitwichtigste, zweitbeliebteste Frau hier im Lande.

Am Mittwoch feiert Lise Nørgaard ihren 100. Geburtstag. Sie gilt nach der Königin Margrethe als die zweitwichtigste, zweitbeliebteste Frau hier im Lande.

In Kopenhagen feiert heute eine Frau ihren 100. Geburtstag: Ungewöhnlich genug, aber diese Frau ist wahrlich ungewöhnlich. (E) Lise Nørgaard gilt nach Königin Margrethe als die zweitwichtigste, zweitbeliebteste Frau hier im Lande. Ihre kulturpolitische Bedeutung ist nicht hoch genug einzuschätzen; ihre Fernsehserie Matador wird nach 39 Jahren zurzeit bereits zum achten Male ausgestrahlt. Bei ihrer Premiere unterbrachen Politiker im Finanzausschuss des Folketings vorübergehend sogar ihre Haushaltsberatungen, um keine Folge zu verpassen. Und Staatsminister Lars Løkke, der die TV-Serie selbst schon 20-mal gesehen hat, nutzte längere Passagen seiner jüngsten Neujahrsrede, um auf  Nørgaards

Geschichte in der Film-Ortschaft Korsbæk einzugehen. Matador ist nicht nur als Kanon längst ein historischer Teil des nationalen Zusammenhalts, sondern dokumentiert auch die Notwendigkeit zu gesellschaftlichen Veränderungen, die Lise Nørgaard selbst in schwieriger Zeit als junge Frau, Journalistin und  als „Aufrührerin“ in der damaligen Männerwelt praktizierte.  

Vieles ist und wird in diesen Tagen über Frau Lise geschrieben, und wer sie auch privat – sowohl in Kopenhagen als auch in Hamburg – näher kennengelernt hat, der stimmt gerne diesen Freuden-Arien zu. An dieser Stelle geht es um sie als Zeitzeugin der dänisch-deutschen Geschichte mit ihren Tiefen und Höhen. Sie ist ja unter anderem mit der Szene aus Matador berühmt geworden, wo der Schweinehändler Oluf Larsen während der Besatzungszeit seinem Foxterrier Kvik  vor anwesenden deutschen Soldaten zuruft: „Kvik, det er en tysker!“ Worauf der Hund gehorsam das angebotene Stück Fleisch liegen lässt. Dieser Hunde-Trick ist in ihrer Familie viel älter als 1940-1945, er stammt von ihrem Großvater mütterlicherseits, Martin Nielsen-Tønder, der damit gegen die preußische Herrschaft über Nordschleswig nach 1864 protestieren wollte. Lise Nørgaard ging es dabei nicht um eine „Verteufelung“ alles Deutschen, schon gar nicht der deutschen Kultur, der sie – dank Vater – bis heute stets Bewunderung entgegengebracht hat. „Ich bin mit Goethe, Schiller und Heine aufgewachsen, ja, die deutsche Kultur hat uns tief bewegt“, sagt sie, die die deutschen Klassiker besser kennt als die meisten Deutschen. 

Schon als Kind besuchte sie in den 30er Jahren oft ihren nazi-kritischen Onkel Valdemar in Hamburg, wo sie das hässliche Gesicht der Nazis sah.1946 besuchte die Journalistin von Roskilde Dagblad als Lise Flindt-Nielsen das zerbombte Hamburg. Die Beseitigung der Ruinen schien ihr ebenso hoffnungslos, als wenn eine Ameisenkolonie „Hjemmelbjerget“ mit Milliarden von Kubikmetern abzutragen versuchte. Sie hat sich glücklicherweise, wie sie sagt, geirrt.  Hamburg ist für die Opernfreundin bis heute ihre zweite Heimat geworden. Ein Empfang kürzlich durch den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf dem Rathausbalkon war für sie eine ganz besondere Ehrung.

Den Wandel in den deutsch-dänischen Beziehungen zu erleben, ist für sie ein Glücksfall, wie sie oft auch in Interviews betont hat. Sie hat heute großes Vertrauen in Deutschland: vor allem von Frau zu Frau – in Angela Merkel!

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Cornelius von Tiedemann
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