Leitartikel

Alles gut, oder?

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Apenrade/Aabenraa
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Foto: dpa

In Südeuropa geht die Flüchtlingskrise unvermindert weiter. Wärenddessen sucht die EU seit Jarhen nach einer Lösung. Doch solange die Flüchtlinge nicht vor der eigenen Haustür auftauchen oder Staus verursachen, ist der Druck offenbar nicht groß genug, meint Sara Wasmund. Ihr zufolge ist das beschämend für die EU.

In Südeuropa geht die Flüchtlingskrise unvermindert weiter. Wärenddessen sucht die EU seit Jarhen nach einer Lösung. Doch solange die Flüchtlinge nicht vor der eigenen Haustür auftauchen oder Staus verursachen, ist der Druck offenbar nicht groß genug, meint Sara Wasmund. Ihr zufolge ist das beschämend für die EU.

Zwei Jahre ist es nun bald her, dass die Bilder von den gen Norden laufenden Flüchtlingen auf der Autobahn E45 in Nordschleswig die humanitäre Krise aus anderen Teilen der Welt in die Privathaushalte der Dänen transportierte. Die Probleme der anderen tauchten im Spätsommer 2015 plötzlich vor der eigenen Haustür auf. Im Sommer 2017 ist das Bild an der E45 ein anderes. Die mittlerweile postierten Grenzpolizisten winken voll bepackte Autos von Urlaubern über die Grenze. Hat sich „das Problem“ also erledigt?  Überall in Dänemark werden Asylbewerberheime geschlossen und Flüchtlingsaufnahmen aufgelöst.

Alles gut? Bei uns vor der eigenen Haustür vielleicht. In Südeuropa hingegen geht die  Flüchtlingskrise unvermindert weiter. Tausende kommen täglich über das Mittelmeer nach Europa – und bleiben dort im Flaschenhals Italien sitzen, da die Grenzen nach Frankreich und Österreich sowie die „Balkanroute“ mehr oder weniger komplett dicht sind. Mittlerweile kommen weniger Kriegsflüchtlinge aus Syrien, sondern vielmehr Migranten aus afrikanischen Ländern, die meisten von ihnen ohne Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht in Europa. Italien wird damit  allein gelassen, und die Türkei hält gegen Unsummen von der EU Hunderttausende Flüchtlinge in Lagern zurück, um der EU den Rücken freizuhalten. Nicht dass wieder Flüchtlinge über unsere feinen Autobahnen trampeln! Das liberal anmutende Frankreich schickt  strikt jede Person ohne gültige Einreisepapiere konsequent nach Italien zurück.

Der Versuch, die Grenze ins Land der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu überwinden, hat dort im italienisch-französischen Grenzland zwischen Ventimiglia und Menton bereits Menschen das Leben gekostet. Diejenigen, die Frankreich heil aber illegal erreichen, werden umgehend festgenommen und zurück nach Italien transportiert. Europäische Solidarität sieht anders aus.  Menschenhändler in Libyen schicken Zehntausende auf kippeligen kleinen Booten aufs Mittelmeer – und der EU fällt nichts Besseres ein, als die Grenzen im Landesinneren zu verstärken und  Italien und Griechenland ihrem Schicksal zu überlassen. Es scheint eine Frage der Zeit, wann Italien die Grenzen hinein nach Europa bewusst lockert, um Druck aus dem Kessel zu lassen. Die ersten Bürgermeister in Süditalien wollen keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen.

Bei Zahlen von über 5.000 Ankünften über den Kanal von Sizilien allein am vergangenen Wochenende ist das nachvollziehbar. Außenminister Anders Samuelsen (LA) hat in dieser Woche betont, dieses Problem könne nicht von einem Tag auf den anderen gelöst werden. Man müsse  ein klares Signal senden, dass man nicht Asyl bekommt, nur weil man ein Wirtschaftsflüchtling ist. Ihm zufolge gibt es für diese Migranten nur einen Weg –  wieder zurück.

Doch wie eine Lösung und „wieder zurück“ konkret aussehen, können Samuelsen und seine EU-Außenministerkollegen nicht  sagen. Noch nicht. Immer noch nicht. Marineschiffe im Einsatz direkt vor der libyschen Küste fordern die einen,  andere wünschen sich eine Welt ganz ohne Grenzen und halten bei Demos „No borders“-Banner hoch, als ob keine Grenzen die Lösung für Armut und Korruption in Afrika sind. Tatsache ist: Die EU sucht seit Jahren nach einer Lösung, während Tausende täglich einen Weg aus ihrer Hoffnungslosigkeit suchen. Aber solange die Flüchtlinge und Migranten nicht vor der eigenen Haustür auftauchen und Staus verursachen, ist der Druck offenbar nicht groß genug. Das ist nationaler Egoismus sondergleichen und beschämend für die EU.

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Cornelius von Tiedemann
Cornelius von Tiedemann Stellv. Chefredakteur
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