Minderheiten in Europa

Katalonien: Minderheitenexperte ruft zum Dialog auf

Katalonien: Minderheitenexperte ruft zum Dialog auf

Katalonien: Minderheitenexperte ruft zum Dialog auf

Nordschleswig
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Katalonien
Unabhängigkeits-Gegner protestieren gegen das Vorgehen der katalanischen Regionalregierung. Foto: Scanpix

Minderheitenpolitik am Boden: Der ehemalige Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, Hans Heinrich Hansen, vermisst im Konflikt in der separatistischen Region Katalonien den Willen zum Dialog. Er rät zu neuen Verhandlungen.

Wie bewertet ein Minderheitenexperte aus Nordschleswig die katalanischen Bestrebungen, einen eigenen Staat zu gründen? „Es ist gefährlich, wenn sich Minderheiten in den nationalistischen Graben begeben. Separatismus bringt keine Volksgruppe voran.“ Das sagt Hans Heinrich Hansen, viele Jahre lang Präsident der FUEN, der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten. Hintergrund seiner Sorge: Die spanische Region Katalonien steht seit Kurzem unter Zwangsverwaltung der Regierung in Madrid, nachdem die Separatisten in der vergangenen Woche eine Unabhängigkeitserklärung abgegeben hatten, die aus einem Volksentscheid hervorgegangen ist. 

Was läuft in Spanien aus minderheitenpolitischer Sicht schief?

„Die jetzige Situation entspringt Verhandlungen, die vor zehn Jahren zwischen Madrid und der katalanischen Regionalregierung gescheitert sind. Damals hatte Premierminister  Rajoy Forderungen aus Barcelona zu mehr autonomer Kontrolle nicht erfüllt. Seitdem gehen die Separatisten diesen Weg.“ Die Bilder, wie spanische Polizisten Katalanen an der Abgabe ihrer Stimme beim Volksentscheid mit Gewalt hinderten, nennt Hansen „schrecklich“. Vor allem Madrid hätte Gelegenheiten zum Dialog nicht ablehnen, sondern suchen müssen. „Denn Dialog ist die Voraussetzung für gute Minderheitenpolitik“, sagt Hansen. 

Hätte die EU in den Konflikt eingreifen müssen, um zu vermitteln?

„Meiner Meinung nach, ja. Auf jeden Fall. Aber die EU macht es sich leicht. Sie bleibt dabei, dass es eine nationale Frage ist. Dabei ist es doch ein Mehrebenen-System. Die direkteste Politik besteht in Kommunen und Regionen. Was da nicht zu regeln ist, muss auf nationaler Ebene geregelt werden. Und was dort nicht, auf europäischer. Doch die EU hat vor allem seit dem Brexit Angst davor, die Länder vor den Kopf zu stoßen.“ Deshalb, so Hansen, hätte die EU als einzigen Punkt der Minority SafePack Initiative die Forderung nach einem   Antidiskriminierungsgesetz abgelehnt. „Weil die EU Angst vor Konflikten mit den Staaten hat“, so Hansen.

Wie ist  die Entwicklung in Europa zu beurteilen, dass Minderheiten und Regionen nationale Wünsche hegen?

„Es ist eine gefährliche Tendenz, wenn Minderheiten sich in den nationalistischen Graben begeben“, sagt der ehemalige FUEN-Präsident. Viel besser sei es, durch Dialog und Miteinander föderative Systeme wie in Belgien, Tirol oder der Schweiz zu stärken. Die Verhandlungen hätten nicht erfolglos abgebrochen werden sollen. Immerhin, so Hansen, habe es in Südtirol schließlich auch Jahrzehnte gedauert, um die Autonomie zu festigen und zu errichten. Er rät den Katalanen und der Regierung Spaniens dazu, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. „Puigdemont sollte sich dem Gericht stellen, und man sollte eine neue Abstimmung durchführen. Wenn dann immer noch die Mehrheit der Katalanen die Unabhängigkeit fordert, sollte man Verhandlungen über eine territoriale Autonomie innerhalb des Staates Spanien führen“, so Hansen. „Dann sind wir da, wo alle vor zehn Jahren waren.“ 

Die Situation in Katalonien: Die Mitglieder der Regierung in Barcelona sind ihrer Ämter enthoben worden. Insgesamt mussten 150 Regierungsmitarbeiter gehen. Spaniens  Innenminister Juan Ignacio Zoido hat an die nationalen und katalanischen Polizeieinheiten appelliert zu kooperieren, um einen reibungslosen Ablauf der Wahl im Dezember zu gewährleisten.

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