Geschichte

Kurz vor der Wende: Ost-Spionage in Nordschleswig

Kurz vor der Wende: Ost-Spionage in Nordschleswig

Kurz vor der Wende: Ost-Spionage in Nordschleswig

Jon Thulstrup
Jon Thulstrup
Nordschleswig
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Fotos des militärischen Geheimdienstes der DDR. Foto: Forsvarets Efterretningstjeneste

Fotos vom Röm-Damm, der Westküste zwischen Ballum und Hoyer, sowie der dazugehörige Hoyer-Schleuse: Kurz vor der Wende waren Agenten des militärischen Geheimdienstes der DDR noch auf Spionagefahrten in Dänemark und insbesondere in Nordschleswig. Der Nordschleswiger hat bei einem Experten nachgefragt.

Der Fall der Berliner Mauer und damit auch der des Eisernen Vorhangs, der jahrzehntelang Europa in Ost und West einteilte, steht kurz bevor. Trotzdem machen sich ostdeutsche Agenten noch auf den Weg nach Dänemark, um zu spionieren. Auch die nordschleswigsche Westküste ist im Fadenkreuz der Agenten. Eine Fotosammlung im Archiv des dänischen militärischen Geheimdienstes Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) wirft jetzt Fragen auf, berichtet Spiegel-Online.

Auftraggeber der Fotosammlung war der militärische Geheimdienst der DDR. Sie hatte noch im Herbst 1988 ihre Agenten zur Küstenaufklärung an der dänischen Nordseeküste entsandt. Wie das Material beim dänischen Geheimdienst landete, ist laut Spiegel nicht nachzuweisen.

Doch warum waren die Küsten Nordschleswigs und die übrige dänische Westküste für ostdeutsche Spionage interessant? Der Professor und Geheimdienstforscher der Süddänischen Universität, Thomas Wegener Friis, hat darauf eine Antwort. „Die militärische Platzierung Dänemarks war für die DDR und den Warschauer Pakt ungemein interessant. Von einem dritten Weltkrieg wäre auch Dänemark betroffen gewesen“, so Wegener Friis und ergänzt:

Ein Foto der Schleuse bei Hoyer. Foto: Forsvarets Efterretningstjeneste

Über Versorgungswege aufklären

„Es ist ja nicht so, dass die Spionagefotos an der süddänischen Westküste eines potentiellen Landgangs Warschauer-Pakt-Soldaten dienen sollten, sondern sie sollten eher über die möglichen Versorgungswege westlicher Truppen aufklären.“ Die NATO war ihm zufolge im Falle eines Krieges auf einen Nachschub über Dänemark angewiesen.

Dass die Ostagenten gründlich arbeiteten, beweisen die Fotos aus dem Archiv. Der Röm-Damm wurden genau vermessen. Selbst die Breiten der Wasserläufe hinter den Deichen bei Ballum wurden ermittelt – auch noch im Spätsommer 1989, wo eine Reformwelle die sozialistische Welt östlich des Eisernen Vorhangs erschütterte. Doch dafür gibt es auch eine Erklärung. „Spionageagenten bekommen eine Aufgabe gestellt und lösen diese – egal, ob der Staat kurz vor dem Zusammenbruch steht. Der Geheimdienst wollte bis zum bitteren Ende auf dem neuesten Stand bleiben – auch weil man dachte, dass der damalige Feind auch weiterhin ein solcher bleiben würde. Die Spionage in Dänemark war zudem auch ein Teil eines Langzeitplanes“, so Wegener Friis.

Ihm zufolge seien die Bilder gegen Ende der 1980er-Jahre aufgenommen worden. Doch der damit verbundene Bericht ist eher ein Update einer bestehenden Spionage als ein komplett neues Projekt. „Der Ostblock hat schon früh mit der Spionage in Dänemark begonnen, insbesondere aufgrund der Militärgeographie“, betont Wegener Friis.

Foto: Forsvarets Efterretningstjeneste

Einfache Tarnung

Die Tarnung der Ost-Spione sei auch sehr einfach gewesen, erklärt der Geheimdienstforscher. „Sie haben sich als westdeutsche Touristen ausgegeben. Von denen gab es ja reichlich an der Westküste“, schmunzelt Wegener Friis.

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