Leitartikel

Zum Tode von Prinz Henrik

Zum Tode von Prinz Henrik

Zum Tode von Prinz Henrik

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Prinz Henrik und Königin Margrethe 2012 auf Amalienborg. Foto: Scanpix

Dänemark habe Prinz Henrik für große Dienste zu danken, meint Siegfried Matlok. Henrik sei zweifelsohne leider von vielen Dänen unterschätzt worden. Er war intellektuell, ein ungewöhnlich kluger Mann, dessen künstlerische Fähigkeiten besonders fruchtbar mit der Königin harmonierten, meint Matlok. Und: „Er wurde Däne, blieb aber immer auch Franzose.“

Nicht nur das offizielle Dänemark trauert um Prinz Henrik. Das ist eine wichtige Feststellung –  ein  Zeichen der allgemeinen Wertschätzung  im Volke für den nicht immer unumstrittenen Prinzen. Nach  kurzer, schwerer Krankheit wurde der 83-Jährige  auf  eigenen Wunsch vom Reichshospital  nach Schloss Fredensborg gebracht, wo ihm aber nur wenige Stunden vergönnt waren bis zu  seinem Tode im Beisein seiner engsten Familie.  Auch im Tode geht der Prinz noch seinen eigenen Weg: Nach seiner Einäscherung werden Teile  in dänischen Gewässern verstreut, und ein  restlicher Teil als Urne wird in seinem „geliebten“ Fredensborg eine letzte Ruhestätte finden.

Das Mitgefühl gilt der Familie nach Verlust seines Oberhauptes.  In den Nachrufen werden natürlich die Verdienste des Prinzen in den Vordergrund gestellt, seine wahre Lebensleistung liegt jedoch  in der Familie, vor allem als unentbehrliche Stütze der Königin.

Als Kronprinzessin  Margrethe  ihren  Auserwählten, den französischen  Diplomaten Henri de  Laborde  de  Monpezat  vorstellte, wurde ihm  – ohne königliches Blut und  als Ausländer – eine Aufgabe zuteil, die nach dem Tode von König Frederik IX.  durch die Ausrufung seiner jungen Frau als neue Monarchin  große Herausforderungen brachte. Margrethe II. hatte gewiss in manchen Bereichen ihre  Anfangsschwierigkeiten,  doch ihr Mann wurde  nicht nur der Vater ihrer beiden Söhne, sondern ihr wichtigster Berater und nahm dadurch auch Druck von der Königin, die ja nicht nur  von ehelicher Liebe und familiärer Zuneigung leben konnte.

Sie  fand  in ihm – wie Staatsminister Lars Løkke es zu Recht formuliert hat – einen „Anker“,  der ihr die nötige Stabilität als Grundlage für die spätere Souveränität sicherte.  Und Prinz Henrik hatte dabei selbst keinen leichten Stand. Politisch war dem Königshaus ein Franzose als Prinzgemahl damals sicherlich  durchaus recht, aber  Königin Ingrid hat als gebürtige Schwedin nach eigenen Erfahrungen  im „Janteland“ selbst darauf hingewiesen, dass ihrem  Schwiegersohn als Franzose  die Gunst des Volkes nicht  einfach geschenkt wurde. Sein sprachlicher Dialekt wurde oft genug  gegen ihn verwendet, und seine französische Herkunft  hat allemal Widersprüche bei so manchen Dänen hervorgerufen, auch wegen  seiner  hierarchischen  Rolle als Vater,  wie  Kronprinz  Frederik einst  mit so nachdrücklichen Worten  das besondere Vater-Sohn-Verhältnis  beschrieben hatte.

Prinz Henrik ist zweifelsohne leider von vielen Dänen unterschätzt worden. Er war intellektuell,  ein  ungewöhnlich  kluger Mann,  dessen künstlerische Fähigkeiten besonders fruchtbar mit der Königin harmonierten, dessen  Poesie und dessen Skulpturen auch  in Kunst- und Kulturkreisen höchste Anerkennung fanden. Er wurde Däne, blieb aber  immer auch  Franzose.

Manche hielten seine Art  für arrogant, aber das war  unfair und  entsprach keineswegs seinem warmen, vor allem humorvollen, ja oft auch schelmischen  Wesen.  Er ging, wie viele aus persönlichen Gesprächen zu berichten wissen, auf die Menschen zu, z. B. bei den jährlichen Aufenthalten in der Sommerresidenz  Gravenstein beim Fischhändler,  im Fitnesscenter,  beim  Segeln oder bei seinem privaten Besuch auf Christiania: Oft durchbrach er  unkonventionell  das steife höfische Protokoll. 

Er blieb sich auch treu –  war  ein „gallischer Hahn“, ein Boheme,  royal sogar in gewisser Weise  ein  „enfant terrible“,  das  neben seinen  protokollarischen  Aufgaben mit Pomp und Pracht und neben seiner wichtigen Rolle als Botschafter Dänemarks  im Ausland auch immer seinen eigenen Kopf und Willen  durchsetzte, eigene  Wege ging und sich dadurch für ihn  lebensnotwendige Freiräume schuf. 

An  seine per  Hochzeit staatsrechtlich definierte Rolle als  Prinzgemahl  konnte er sich mit fortschreitendem  Alter nicht mehr gewöhnen.  Als in Abwesenheit der Monarchin  der Kronprinz den Neujahrsempfang für die Diplomaten übernahm, da kam es vor Jahren zu einem Bruch in seinem wohl auch in Eitelkeit verletzten Selbstverständnis.  Seine wiederholte  Forderung nach einem eigenen Königstitel, begründet  als Gleichberechtigung von Mann und Frau,  wurde ihm verwehrt  und ein gewisser Altersstarrsinn machte diesen  Streit in aller Öffentlichkeit nicht erträglicher. 

Sein Verzicht, im gemeinsamen  Sarkophag neben der Königin im Dom zu Roskilde beigesetzt  zu werden, sorgte ebenso  wie plötzliche Absagen bei königlichen Familienfeiern für zunehmendes Kopfschütteln, leider auch für negative  Überschriften in der ausländischen Presse. Das war unangenehm, ja schmerzhaft  für seine eigene Familie, und  rückblickend wird sich das Königshaus auch selbstkritisch fragen müssen, ob es angesichts seiner Demenz nicht hätte (früher) eingreifen müssen, um ihn und sein Ansehen zu schonen.

Die letzten Jahre dürfen jedoch  an seinem Grabe nicht überschatten,  was Prinz Henrik für seine Familie und für das Königshaus  in seinem Leben geleistet hat. Dänemark hat ihm für große Verdienste zu danken.

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