Leitartikel

Von Besen und Aalen

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Apenrade/Aabenraa
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Lars Løkke Rasmussen
Lars Løkke Rasmussen Foto: Scanpix

In Dänemark wird über eine mögliche Regierungsrochade gemunkelt. Wichtiger als neue Minister wären aber neue Inhalte, wenn Regierungschef Løkke und seine Partei Venstre auch nach der kommenden Wahl noch die Regierung anführen wollen, meint Cornelius von Tiedemann.

Neue Besen kehren gut, sagt der Volksmund. Vielleicht laufen deshalb auch die Spekulationen über eine Regierungsumbildung heiß. Schließlich hat die Regierung in den vergangenen Monaten alles andere als ein aufgeräumtes Bild abgegeben. Kann durchaus sein, dass Regierungschef Lars Løkke Rasmussen an neue Besen denkt, um sauber in den Vorwahlkampf zu starten.

Der Volksmund sagt natürlich auch, dass der Fisch vom Kopf her stinkt – doch diesen Spruch wird der politische Aal Løkke wohl kaum berücksichtigen. Hinweise darauf, dass der sich immer wieder aus vertrackten Situationen windende Løkke bereits seine politische Nachfolge in Position bringt, kann vielleicht sehen, wer es darauf absieht, doch noch macht Løkke, nüchtern betrachtet, längst nicht den Eindruck, fertig „zu haben“, wie es Giovanni Trapattoni einmal legendär formulierte.

Dass Venstre einen Schub gebrauchen kann, steht dabei außer Frage. Mit ihren Umfragewerten kann die Partei nicht zufrieden sein – auch wenn Regierungsparteien es grundsätzlich in Stimmungsbarometern schwer haben. Zu verworren ist das Bild, das diese Vensre-geführte Regierung abgibt. Steuersenkungen und eine schärfere Ausländerpolitik sind die Schlagworte, die die Politik seit 2015 prägen. Erstere, von der Liberalen Allianz forciert, sind grandios gescheitert, Letztere schreiben sich, trotz Inger Gnadenlos, vor allem die Dänische Volkspartei – und zunehmend auch die Sozialdemokraten – auf die Fahne.

Wo steht Venstre, was ist eigentlich Venstre-Politik? Diese Frage drängt sich heute mehr auf denn je. Seit Jahren wird ein Richtungsstreit zwischen moderatem und konservativem Lager unterdrückt. Im Gewusel des ständigen Überlebenskampfes ist unter Løkke, so zumindest der Eindruck, die Richtschnur aus dem Blick geraten. Selbst die Strategie, Umwelt- in Landwirtschaftspolitik zu verwandeln, um bei den ehemaligen Venstre-Abonnenten auf dem flachen Land wieder zu punkten, schlägt nicht wirklich durch.

„Die Ernennung eines neuen Ministers hat wenig mit Inhalten zu tun“, sagt der Leiter des Sekretariats der deutschen Minderheit in Kopenhagen, Jan Diedrichsen, heute im Nordschleswiger zu den Rochade-Spekulationen. Doch genau die, Inhalte, braucht Løkke, wenn er den Venstre-Karren auch bei der kommenden Folketingswahl als Staatsminister ins Ziel bringen will. Die Wähler müssen in ihm und seiner Partei etwas sehen, was sie in anderen Parteien nicht finden – und daran glauben, dass er abliefert.

Zuzutrauen ist es dem Aal Løkke, dass er sich bis zur Wahl wieder zum Zugpferd wandelt. Leicht wird es nicht.

 

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