Leitartikel

Das größte Buch der Welt

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Das größte Buch der Welt

Apenrade/Aabenraa
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Die dänischen Arbeitslosengeldregeln – sie sind eine Schandsäule der Bürokratie, meint Chefredakteur Gwyn Nissen. Den Worten der Politiker, das System zu entbürokratisieren, müssten endlich Taten folgen, fordert er.

Die dänischen Arbeitslosengeldregeln – sie sind eine Schandsäule der Bürokratie, meint Chefredakteur Gwyn Nissen. Den Worten der Politiker, das System zu entbürokratisieren, müssten endlich Taten folgen, fordert er.

Das größte Buch der Welt? Die Bibel? Die gesammelten Abenteuer von Harry Potter oder H. C. Andersens Märchen? Nein, aber es ist ein dänisches „Werk“ und füllt inzwischen 29.231 Seiten. Es sind die dänischen Regeln für das Arbeitslosengeld (dagpengeregler ). Eine Schandsäule der Bürokratie.

Vor sechs Jahren wurden die Regeln erstmals gedruckt und in ein Buch gebunden, um das Problem zu veranschaulichen, vor dem Tagegeldempfänger stehen – sei es bei Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Schwangerschaft. Seitdem sind weitere gut 5.500 Seiten hinzugekommen – oder im Durchschnitt sechs Seiten neue Regeln pro Tag.

In den vergangenen zehn Jahren hat es im Tagegeldbereich 77 Regeländerungen gegeben – und jedes Mal müssen die Empfänger sowie die Mitarbeiter in den Kommunen sich auf neue Regeln einstellen. Die Fachkräfte in den Kommunen benötigen drei Viertel ihrer Arbeitszeit, nur um die Regeln zu verwalten.

„Es ist uns einfach davongelaufen. Eigentlich müssten wir ein Streichholz zünden und ganz von vorn beginnen“, sagt der Vorsitzende der dänischen Kommunen (KL), Martin Damm.

Dass es Regeln geben muss, steht außer Frage: Über 700.000 Dänen werden von der öffentlichen Hand versorgt. Aber die Kommunen wollen jetzt neue, vereinfachte Regeln, damit eine Pixie-Ausgabe von 1.000 Seiten reicht.

Das deckt sich gut mit der Arbeit, die Regierungschef Lars Løkke Rasmussen heute auf seinem Sitz in Marienborg einleiten will: eine Entbürokratisierung der dänischen Gesellschaft. „Wir müssen den Mitarbeitern mehr Platz geben – und weniger Regeln“, so Løkke. „Die Wohlfahrtsgesellschaft ist für den Bürger da – und nicht umgekehrt.“

Es ist nicht das erste Mal, dass von Entbürokratisierung geredet wird. Hoffentlich stoßen sich die Politiker und Beamten nicht schon wieder an einer Wand der Bürokratie bei ihrem Versuch, eine neue Seite aufzuschlagen. Das größte Buch darf nicht dicker werden.

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