Dansk-Tysk med Matlok

„Dänemark braucht die USA – ungeachtet Trump“

„Dänemark braucht die USA – ungeachtet Trump“

„Dänemark braucht die USA – ungeachtet Trump“

DN
Kopenhagen
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US-Marine
Parade der US-Marine vor New York. Foto: Scanpix

Der Historiker und Oberstleutnant a. D. Ebbe Juul-Heider erwartet ein dänisches Nein zur europäischen Verteidigungsunion.

Der Historiker und Oberstleutnant a. D. Ebbe Juul-Heider erwartet ein dänisches Nein zur europäischen Verteidigungsunion.

Zehn Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges gehörten deutsche und dänische Soldaten, bis 1945 noch Kriegsfeinde, plötzlich demselben Verteidigungsbündnis, der Nato, an. Der Historiker Ebbe Juul-Heider, Kolding, hat auch eine Militärkarriere, war u. a. Oberstleutnant im Europakommando der Nato im belgischen Mons, hält aber eine europäische Verteidigungsunion mit Deutschland in Dänemark für völlig unrealistisch.

Ebbe Juul-Heider schätzt den Anteil der militärischen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern hoch ein. Dazu haben in den Anfangsjahren sowohl das deutsch-dänische Einheitskommando in Rendsburg als auch das Ostsee-Kommando BALTAP in Karup beigetragen, beide übrigens klugerweise unter Leitung eines dänischen Generals.
Im dänischen Militär sei eine noch engere Zusammenarbeit mit der Bundeswehr durchaus vorstellbar. So habe man überlegt, ob nicht eine Waffengattung durch Heer, Marine oder Luftwaffe in Deutschland ersetzt bzw. ergänzt werden könne. „Das wäre zwar durchaus vernünftig, ist aber in Dänemark nicht durchführbar, denn es geht dabei natürlich auch um Souveränität und Prestige. Im Gegensatz zum dänischen Militär sei die Bundeswehr in Deutschland ohne hohes Profil im Bewusstsein der Bevölkerung, so die Analyse des früheren Nato-Offiziers im Interview mit Siegfried Matlok im Fernsehsender DK4.  Die jetzt von Frankreich ins Spiel gebrachte europäische Verteidigungs-Union werde in Dänemark zu einem mehr oder wenigen klaren Nein führen, weil Dänemark Angst davor hat, den amerikanischen Atomschutz zu verlieren.

„Für Dänemark ist die Nato aber mit USA gleichzusetzen – ungeachtet Trump“, betonte der 71-jährige Historiker.

Ebbe Juul-Heider

Ebbe Juul-Heider (rechts) und Siegfried Matlok.

Deutschland – eine nervöse Großmacht

„Ja, ich habe vollstes Vertrauen in ein Deutschland, das in Europa eine immer wichtigere Rolle spielt“, sagt Ebbe Juul-Heider.
 „Man möchte zwar nicht, aber es gibt keine anderen,  die die Verantwortung übernehmen können. In der Bonner Republik wurde Deutschland manchmal wie folgt beschrieben: als ökonomischer Riese und  als politischer Zwerg, aber Deutschland  ist eben – wie es Professor Per Øhrgaard einst formuliert hat  – das Reich in der europäischen Mitte.  Und Deutschland kann sich diesem Schicksal nicht entziehen“, so der Historiker. Er sieht allerdings eine Parallele mit der Kaiserzeit unter Wilhelm, die nach seinen eigenen Worten nicht stimmt und doch nicht falsch ist. „Deutschland ist eine nervöse Großmacht.“ 

Furcht vor Grenzverschiebung „unbegründet“

In der mehr als tausendjährigen Geschichte von Gorm den Gamle bis Angela Merkel befanden sich Dänemark und Deutschland insgesamt 45 Jahre im Krieg miteinander, aber dennoch sieht Ebbe Juul-Heider Deutschland nicht als Erbfeind der Dänen. „Das waren die Schweden“, lautet seine Bilanz.

„Erbfeind? Nein – eher im Gegenteil. Man darf nicht vergessen, dass es den deutschen Zentralstaat erst seit 1871 gibt.“ Juul-Heider verweist auf die Christianisierung der Dänen durch Harald Blåtand um 980, wie sie auf dem großen Jelling-Stein zu lesen ist. Ihm ging es darum, eine Einmischung des damaligen deutsch-römischen Kaisers Otto I. zu verhindern. Über Jahrhunderte gab es gute Beziehungen zwischen dem Süden und dem Norden, nicht zuletzt durch die Herzogtümer.  Er erinnert daran, dass in Kopenhagen Ende des 17. Jahrhunderts rund 90.000 Einwohner lebten. Davon sprachen 20 Prozent Deutsch – und das war keineswegs nur die damalige Elite.

Die deutsche Kanzelei in Kopenhagen spielte eine wichtige Rolle, vor allem in der Zeit von König Frederik V.  Damals regierten deutschsprachige Beamte wie Bernstorff, Moltke, Schimmelmann  usw. im Lande – und die kamen keineswegs aus den Herzogtümern, und sie sprachen auch kein Dänisch.

Der dänisch-deutsche Streit entfachte  1848 mit dem Bürgerkrieg, als König Christian auf dänischer Seite kämpfte, seine Brüder wie Hans aber alle auf der deutschen Seite. 1830 wurde die Frage Deutsch oder Dänisch ausschlaggebend. Die schleswigsche Frage und auch die Erbfolge – nach dem Hause Oldenburg folgte nun das Haus Glücksburg –  führten zu einem unumgänglichen Konflikt.“

Nach 1864 und dem deutschen Kaiserreich 1871 entschied sich  Dänemark außenpolitisch für ein „niedriges“ Profil. Das dänische Credo lautete: Man solle für Deutschland hinnehmbar sein – egal ob Kaiser, Präsident oder Führer. (Wörtlich: ... „afgørende var at Danmark skulle være spiseligt for Tyskland“.) Man sollte sich also unter keinen Umständen  mit Deutschland anlegen. Das war aber keine öffentliche Politik, denn in der Bevölkerung gab es damals starke anti-deutsche Animositäten“, so der Historiker.

Hatte Deutschland beim Einmarsch 1940 Pläne für eine Grenzverschiebung? Die Furcht vor einer Grenzänderung sei unbegründet gewesen, so Juul-Heider: „Hitler-Deutschland hat sich 1940 Elsass-Lothringen einverleibt, aber das geschah ja nicht in Nordschleswig. Die Regierung Stauning-Munch führte die gleiche Politik wie vor dem 9. April. Bedauerlicherweise hatten die Deutschen uns besetzt, aber die dänische Politik gegenüber Berlin hatte sich dennoch nicht verändert. Ich meine deshalb nicht,  dass wir uns in den Jahren 1940-1945 mit Deutschland im Krieg befunden haben, aber es gibt ja Historiker, die anderer Meinung sind.“

Das Interview in voller Länge:

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